Die Rueckkehr der Templer - Roman
denkt Ihr nicht?«
Vezelay begann zu husten, wahrscheinlich weil er sich wegen der unglaublichen Summe verschluckt hatte. »Sehr wohl, Eure Hoheit. Aber Ihr könnt dem Großmeister die frohe Botschaft gerne persönlich |531| überbringen, er lädt Euch und Bruder André nachher zu einem bescheidenen Mahl in seine Gemächer ein.«
»Ich faste zurzeit zu Ehren der Heiligen Mutter«, erwiderte Melisende. »Außerdem schuldet Euer Meister mir keinen Dank. Wenn überhaupt, dann ist es mein Sohn, der sich mir verpflichtet fühlen müsste. Er kann es wohl kaum erwarten, seinem kleinen Bruder eine Fatimidenfestung zu schenken.«
Sie wollte sich schon abwenden, als sie noch einmal innehielt und ihren Blick über die Kerkerinsassen schweifen ließ. Bei Struan machte sie halt.
»Dieser eine hier«, sagte sie und vollführte mit einer eleganten Handbewegung eine herrische Geste, »soll fortan als mein Leibwächter dienen. Sagt Tramelay, er soll ihn bis auf weiteres in den Palast abkommandieren, nachdem Ihr ihm die Chlamys zurückgegeben habt.«
Ihr kokett fragender Blick streifte den hageren Seneschall. »Denkt Ihr, das ließe sich einrichten?«
Vezelay leckte sich lüstern die Lippen. »Aber natürlich, meine Königin«, raunte er hinter vorgehaltener Hand. »Es geht doch nichts über einen stattlichen Bruder des Tempels vor dem eigenen Schlafgemach. Er wird Euch garantiert eine sorgenfreie Nachtruhe bescheren.«
Nachdem Melisende samt ihrem Gefolge davongerauscht war, kehrte Vezelay noch einmal zu den Gefangenen zurück. »Denkt nicht, weil euch die Königin euren Habit zurückkaufen will, könnt ihr Hosianna singen. Wenn auch nur einer von euch sich dem Befehl des Marschalls widersetzt, wird er sterben wie ein Hund. Habt ihr mich verstanden?«
»In Gottes Namen, Beau Sire«, entgegnete Gero mit gespielter Demut.
»Erst wenn die Verhandlungen zwischen der Königin und dem Großmeister endgültig abgeschlossen sind«, fuhr Vezelay in jovialem Ton fort, »werdet ihr diesen Kerker als freie Brüder verlassen. Und erst dann wird man euch Kleider, Pferde und Waffen zurückgeben.«
Nachdem Vezelay gegangen war, stieß Gero einen verhaltenen Schrei der Erleichterung aus.
»Es gibt einen Gott«, rief er, den Tränen nahe. Dann traf sein Blick Matthäus, der sich immer noch an ihm festhielt. Mit Schwung küsste er den Scheitel des Knaben. »Und er liebt uns!«
|532| Als Melisende die Gemächer des Großmeisters der Templer in der ersten Etage des Refektoriums betrat, wartete André de Montbard bereits mit verschränkten Armen an ein Stehpult gelehnt auf sie.
Bernard de Tramelay, Peter de Vezelay und Berengar von Beirut lauerten am ovalen Eichenholztisch, um den sich immer noch die gleichen zwölf Stühle scharten wie vor gut dreißig Jahren, als der Orden in Jerusalem eingeführt worden war.
Melisende erinnerte sich noch gut daran, dass Graf Hugo de Payens das Holz einer tausendjährigen Eiche für die Herstellung des Tisches und der Stühle extra aus der Champagne ins Heilige Land hatte einschiffen lassen. Als Symbol für die Unvergänglichkeit der Bruderschaft der Templer und ihre darauf eingeschworene Treue.
Als Melisendes Vater, König Balduin II. von Jerusalem, die Ansprache zur Einführung des Ordens im engsten Kreis seiner Vasallen gehalten hatte, war sie selbst noch ein junges Ding von fünfzehn Jahren gewesen. Sie hatte nicht weit entfernt von ihrem Vater in der Apsis der Basilika vom Heiligen Grabe gestanden, neben den ranghöchsten Vertretern des Hofstaates, und aufmerksam zugehört, als ihr Vater vor seinen Untertanen von den neun edlen Rittern geschwärmt hatte. Der König hatte sogar davon gesprochen, dass sie mit von Gott gesandten Heiligen zu vergleichen wären, die dem Christentum in diesem Land zum endgültigen Sieg verhelfen würden.
André de Montbard, damals neunzehnjährig, hatte auch dazugehört und Melisende nach dieser ersten Begegnung so manche schlaflose Nacht bereitet. Allerdings nur in ihren Träumen. Bereits als junger Bruder war er ein Ausbund an Keuschheit gewesen. Und das hatte sich leider niemals geändert.
Gegenüber Tramelay und dessen Mitstreitern wirkte er jedenfalls wie ein erhabener Falke unter Geiern. Leicht gebräunt, männlich, kraftvoll und mit seinen graubraunen, leuchtenden Augen entsprach der alternde Templer jenem Ideal von einem Mann, dessen Charisma sich Melisende nicht entziehen konnte.
Tramelay, der ungeduldig darauf wartete, dass sie endlich auf einem der Stühle
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