Die Rueckkehr der Templer - Roman
drängen, bis endlich Soldaten des unmittelbar angrenzenden Heiligen Grabes erschienen. Mit brutaler Entschlossenheit forderten diese Männer die aufgebrachte und verängstigte Menge auf, den Platz zu räumen und nach Hause zu gehen. Zielsicher führte Khaled seine verbliebene Truppe vorbei an weiteren Soldaten, die sie zwar kritisch beäugten, aber unbeanstandet passieren ließen, durch ein weiteres Tor des mächtigen Palastes. Obstbäume mit Tamarinden und halbreifen Granatäpfeln sowie gestutzte Zypressenbäume säumten einen freien, mit weißem Marmor ausgelegten Innenhof. In zahlreichen Fenstern auf mehreren Stockwerken brannten Glaslaternen hinter durchscheinenden, ockerfarbenen Gardinen. Innerhalb dieser Mauern herrschte kaum weniger Hektik als draußen auf dem Platz. Auch hier eilten mit Schwertern bewaffnete Männer überall herum, denen Knaben und Frauen in bunten Gewändern folgten.
Die Ankömmlinge wurden mit Obst, Brot und Getränken begrüßt, die auf silbernen Tabletts dargeboten wurden. Lyn wandte sich zum streng bewachten Tor zurück und ließ ihre Blicke über die Menschen schweifen, die nachrückten. Es beruhigte sie, zu sehen, dass auch Rona |94| zugegen war und immer noch auf Berengars riesigem Pferd saß, das der wortkarge Templer mit stoischer Miene am Zügel führte. Das Erstaunen ihrer Schwester über das turbulente Treiben schien nicht geringer zu sein als das von Lyn.
Khaled, der zuvor einem Offizier der Palastwache den Grund ihrer ungeplanten Rückkehr erläutert hatte, bedeutete Lyn, dass er ihr beim Absteigen helfen wollte. Doch Lyn zog es vor, auf diese Hilfe zu verzichten. Nachdem sie abgestiegen war, blickte sie zu einem quadratischen Turm empor, dessen Plattform sich etwa in dreißig Meter Höhe befand. An einer metallischen Stange, die sich darüber emporhob, flatterte das Banner der Könige von Jerusalem. Hinter den breiten Zinnen patrouillierten etliche uniformierte Söldner, die abwechselnd den Blick auf die Stadt und in die Ferne richteten.
Khaled hatte seinen Helm abgesetzt und die weiße Kapuze heruntergezogen. Mit den Fingern kämmte er sein schulterlanges, schwarzes Haar zurück, um es ein wenig zu ordnen. Die Zügel seines Hengstes hatte er Azim überlassen, der wie aus dem Nichts aufgetaucht war, die Anweisungen seines Heerführers entgegenzunehmen. Morgentau forderte Lyns Aufmerksamkeit, indem er leise wieherte und unruhig mit dem Kopf hin und her schlug, als ob er ihre Anspannung spürte. Dabei wurde ihr klar, dass sie ihren Rucksack für einen sträflichen Moment unbeobachtet gelassen hatte. Rasch löste sie ihn vom Sattelknauf und schulterte ihn.
Khaled schenkte ihr einen verständnisvollen Blick. »Keine Sorge«, bemerkte er in beruhigendem Ton. »Dies ist der Königshof von Jerusalem. Taschendiebe sind hier nicht zu befürchten. Man würde ihnen unverzüglich die Hand abschlagen.«
Lyn hob eine Braue und sah ihn zweifelnd an. »Warst du es nicht, der mir etwas von Schakalen der Wüste erzählt hat, die selbst in der Heiligen Stadt zu finden sind?«
»Und ich sagte auch: Solange du einen Nizâri an deiner Seite hast, wird dir nichts geschehen.«
Ein Diener, der eine hölzerne, mit Wasser gefüllte Schüssel balancierte, machte vor ihm halt. Khaled wusch sich gründlich die Hände und trocknete sie anschließend mit einem dargebotenen Leinentuch. Mit einem freundlichen Nicken bedeutete er Lyn, es ihm nachzutun.
Das Wasser duftete schwach nach Jasmin, und Lyn war froh, den |95| Schmutz der Wüste wenigstens von ihren Händen abwaschen zu können.
»Trotz allem, willkommen in Bayt ul-Maqdis.« In Khaleds Lächeln funkelte ein leiser Anflug von Stolz, erst recht, als er ihr einen silbernen Becher reichte, den er zuvor von einem jungen, ganz in Blau gekleideten Mann erhalten hatte.
»Was ist das?« Lyn nahm den Becher mit einer unbekannten Flüssigkeit aus reiner Höflichkeit entgegen. Schnuppernd hielt sie ihre Nase über das Gefäß. Die helle Flüssigkeit darin duftete schwach nach Milch und Zitronen.
»Koste«, riet Khaled ihr aufmunternd. »Man nennt es Sharbat. Es gibt nichts Besseres, wenn man aus der Wüste zurückkehrt.«
Lyn setzte den Rand des Bechers an ihre Lippen und nahm einen vorsichtigen Schluck. Die säuerlich, süße Mischung mit einer fruchtigen Note schmeckte ziemlich einzigartig.
Khaled betrachtete amüsiert, wie Lyn den Becher in einem Zug leerte.
»Und?« Erwartungsvoll sah er sie an.
»Köstlich.« Lyns breites Lächeln zeugte von
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