Die Rueckkehr der Templer - Roman
Scherenstühle, hölzerne Klapptische, orientalische Teppiche an den Wänden und auf dem Boden komplettierten das Bild eines angeblich mittelalterlichen Feudalsitzes aus dem beginnenden 14. Jahrhundert.
Dass sie dabei mit ihren Hollywoodfantasien weit übers Ziel hinausgeschossen waren, konnten nur diejenigen beurteilen, die schon einmal im Mittelalter gewesen waren.
Auf Elektrizität hatte man, zumindest was die Beleuchtung betraf, weitgehend verzichtet und kreisförmige Eisenkandelaber anbringen lassen, die an langen Ketten von der Decke baumelten und mit Kerzen aus echtem Bienenwachs bestückt waren. Gegen Abend wurde regelmäßig ein Feuer im Kamin der Haupthalle entzündet.
Alles in allem war das Interieur viel zu düster. Fehlten nur noch die irischen Wolfshunde und der obligatorische Schlossgeist, und die Szenerie eines Gruselschockers wäre perfekt gewesen. Hannah war das Lachen darüber längst vergangen, vor allem, weil man das Ganze nicht etwa geschaffen hatte, um es den mittelalterlichen Bewohnern so gemütlich wie möglich zu machen, sondern um deren Lebensweise in vermeintlich authentischer Umgebung studieren zu können.
Bis ins kleinste Detail analysierte das Pentagon, wie sie aßen, tranken, sangen, lachten, stritten und debattierten und – da war sich Hannah sicher – welche sexuellen Präferenzen sie hatten. Immerhin lebten drei Paare in diesem Haus und zwei Junggesellen, die allesamt ewige Keuschheit geschworen hatten. Dass manche mit ihren Gelübden gebrochen hatten, war ein offenes Geheimnis, das von ihren Gastgebern zwar nicht thematisiert, aber mit Interesse zur Kenntnis genommen wurde.
Doch ganz gleich, wie sich die Beziehungen unter den Templern |184| und ihren Mitmenschen auch entwickelten, was hier ablief, war weit schlimmer als das Leben in einem Affenkäfig. Hannah spürte erneut Wut über ihre Lage in sich aufsteigen. Mit einem Seufzer und dem innigen Wunsch, dieser Alptraum möge bald beendet sein, machte sie sich auf den Weg in die Küche. Als sie den Empfangsraum vor der Wohnhalle durchquerte, wurde sie von Gero abgefangen. Er trug immer noch den schwarzen Overall und zog sie so leidenschaftlich in seine starken Arme, dass ihr schwindlig wurde. Genießerisch küsste er sie auf den Mund und vergrub dann seine Nase in ihrem kastanienfarbenen Haar. »Du riechst wunderbar«, murmelte er. Seine Lippen bahnten sich einen Weg zu ihrem Ohr und dann zu ihrem Nacken, den er hingebungsvoll liebkoste. Hannah gab sich seiner Zuwendung seufzend hin, obwohl sie ihn am liebsten sofort zur Rede gestellt hätte. Das Gespräch mit Hertzberg ging ihr nicht mehr aus dem Kopf, und die Tatsache, dass Gero nichts darüber hatte verlauten lassen, hätte sie eigentlich wütend machen sollen, doch stattdessen genoss sie die Kraft, mit der er sie hielt. Der Gedanke, diesen Mann eines Tages verlieren zu können, war weitaus furchterregender als ein Sprung in einen tiefschwarzen Abgrund und sorgte dafür, dass der Groll, den sie gegen ihn hegte, auf der Stelle verflog.
»Ich liebe dich«, flüsterte sie.
»Ich weiß«, erwiderte er. Dann ließ er sie so plötzlich los, wie er sie umarmt hatte, schenkte ihr ein atemberaubendes Lächeln und schlenderte ohne ein weiteres Wort in Richtung ihrer Privatunterkünfte, um zu duschen. Hannah folgte ihm mit Blicken. Er wechselte noch ein paar Worte mit Johan und Arnaud, bevor er in einem Gang verschwand.
Die anderen Templer saßen bereits am Tisch. Arnaud de Mirepaux, der ihr wie so oft zuzwinkerte, und Stephano des Sapin, den sie in seiner freundlich zurückhaltenden Art nicht recht zu durchschauen vermochte, spielten Schach. Matthäus hockte daneben, den kindlich blonden Lockenschopf in ein Buch versenkt. Nebenbei kraulte der Dreizehnjährige Heisenberg, Hannahs schwarzen Kater. Johan, der Agent Jack Tanner im nachmittäglichen Zweikampf in einen Schwächeanfall getrieben hatte, schäkerte mit der Miene eines unterwürfigen Ehemannes mit Freya von Bogenhausen, die ihm aus einem |185| neumodischen Magazin vorlas und sich offenbar über die Bilder diverser Stars und Sternchen amüsierte. Nur Struan, der wie immer nach Feierabend den Overall gegen Jeans und T-Shirt gewechselt hatte, starrte nachdenklich ins Kaminfeuer. Der melancholische Blick des Schotten wollte so gar nicht zu seinem kantigen Gesicht und seiner mächtigen Erscheinung passen. Über seiner breiten Brust spannte sich ein orangefarbenes Shirt mit der Aufschrift »Highlander«, das ihm Paul Colbach
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