Die Rückkehr Des Bösen
hielt seinem Blick Stand. Was sie da gehört hatte, entbehrte keineswegs der Logik. Dieser „SinEater“ handelte in dem Glauben, er töte nicht nur im Namen der Jungen, sondern er lade dadurch zugleich deren Schuld auf sich – die Sünde nämlich, ihren Schändern den Tod an den Hals zu wünschen.
„Ich glaube, Sie haben Recht“, räumte Maggie ein. Keller sah sie an, als habe er sich verhört. „Vielleicht will er missbrauchte Knaben erlösen, indem er ihre Peiniger umbringt.“ Sie verstummte. „Während Sie, Vater Keller, lieber die Opfer töten.“
Keller pulte an einem Stückchen Klebeband seiner Schachtel. Es war so still im Raum, dass man das nervöse Kratzen und Knibbeln hörte, das seine schlanken Finger auf dem Karton hervorriefen.
„Haben Sie genau das mit Arturo gemacht?“ fragte sie. „Haben Sie ihn erlöst, ehe Sie Venezuela verließen?“
„O’Dell!“ mahnte Pakula. Seine Stimme klang zwar ruhig, doch der gereizte Unterton entging Maggie nicht. „Ich halte es für das Beste, wenn wir nicht aus den Augen verlieren, weswegen wir heute hier sind. Wir versuchen, einen Mörder zu fassen.“
„Eben!“ bekräftigte Maggie mit einem Blick auf Keller. Genau das versuchte sie doch gerade, einen Killer zu fassen, dem man bereits vor vier Jahren das Handwerk hätte legen müssen. Doch dann lehnte sie sich zurück und verschränkte die Finger vor sich auf dem Tisch, um sich selbst daran zu hindern, sie zu Fäusten zu ballen und sie Keller in dessen selbstsichere, schweißige Visage zu rammen.
„Sagen Sie uns doch einfach, was Sie uns zu bieten haben, Vater Keller“, ließ Pakula sich wieder vernehmen.
„Ausdrucke der E-Mails. Ich weiß, dass es eine Methode gibt, E-Mails im Internet zurückzuverfolgen.“
„Mag sein“, brummte Pakula. „Noch besser wär’s allerdings, wenn wir Ihren Computer hätten.“
„Oh, meinen Laptop habe ich dabei. In meinem Zimmer.“
„Ich gehe mal davon aus“, wandte Pakula ein, „dass er die üblichen Vorkehrungen getroffen hat, um zu verhindern, dass ihn jemand aufspürt. Dass wir ihn über seine E-Mails kriegen, das halte ich für fraglich.“
„Aber seit den Terroranschlägen vom 11. September verfügt das FBI doch über solche Möglichkeiten, oder?“ erkundigte sich Keller, in dessen Stimme Maggie einen Hauch von Unsicherheit zu hören meinte.
„Was haben Sie sonst noch?“ Pakulaließ nicht locker und sah zu Maggie hinüber.
„Eine Kopie der Liste“, sagte Keller, wobei er auf den Deckel seines Pappkartons klopfte. „Vater Paul Conley steht ebenfalls drauf.“
„Und ein Vater Rudolph Lawrence?“
„Lawrence? Ah ... nein.“
„Ganz sicher?“
„Wenn man seinen eigenen Namen auf einer Todesliste findet, neigt man dazu, sich auch die anderen zu merken.“
„Wie viele Namen sind es denn?“ wollte Pakula wissen.
„Fünf, meine Wenigkeit eingeschlossen.“
Pakula fuhr sich mit der Hand über seine Glatze und sah Maggie an. Ihre Blicke trafen sich.
„Unsere Abmachung“, betonte Keller, „lautet, dass ich Ihnen alles überlasse, was nach meinem Eindruck zur Ergreifung des Täters beiträgt. Es dient schließlich meinem eigenen Vorteil, wenn Sie ihn fassen. Doch bevor ich Ihnen meine Unterlagen übergebe, brauche ich noch etwas.“ In seiner Stimme lag nun ein leises, aber unüberhörbares Zittern.
„Und das wäre?“ fragte Pakula, wobei er Maggie ansah.
„Wie ich Agent O’Dell gegenüber bereits erwähnt habe, gehe ich davon aus, dass ich vergiftet wurde. Ich habe Grund zu der Annahme, dass es sich dabei um eine Substanz namens Eisenhut handelt, auch Sturm- oder Mönchshut genannt.“
Angesichts dieser Ironie konnte Maggie sich ihr Grinsen kaum verkneifen. Daspasstja wie die Faust aufs Auge!
„Woher wollen Sie das denn wissen?“ erkundigte sich Pakula.
„Er hat’s mir selbst mitgeteilt.“ Keller wischte sich die Schweißtropfen fort, die sich auf seiner Stirn gebildet hatten, obwohl es nach Maggies Ansicht noch immer eiskalt im Raum war.
„Und was wollen Sie jetzt von uns?“
„Ein Gegenmittel. Ich glaube, es heißt Digitalis oder Fingerhut und wird bei Herzinsuffizienz verabreicht. Es soll auch als Gegengift zu Eisenhut wirken. Sie besorgen es mir, und sowie ich es in meinem Hotelzimmer habe, bekommen Sie den Karton und meinen Laptop.“
Er wischte sich die schweißklebenden Haarsträhnen aus der Stirn und stand auf. Maggie sah, wie er das Gesicht verzog. Selbst diese kleine Anstrengung bereitete ihm
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