Die Rückkehr des Fremden (German Edition)
und zuckte die Achseln, als hätte er gar nichts getan.
„Nein, ehrlich, Gabe. Wenn ich irgendwann etwas für dich tun kann, dann sag es mir bitte.“
Er hörte auf zu kauen. „Zählt auch morgen?“
„Was soll morgen zählen?“
„Würden Sie mir auch morgen einen Gefallen tun?“
Kathryn nahm den Besen und fegte den restlichen Staub vom Vorhang. „Verrätst du mir nicht zuerst, um was für einen Gefallen es sich handelt?“, fragte sie lächelnd. Sie dehnte ihren Rücken und bewegte ihre Schultern, um ihre verspannten Muskeln zu lockern.
Gabe lachte. „Ich verspreche, dass es etwas ist, das Ihnen gefallen wird, Miss Kathryn.“
„Mm-hmm … das habe ich schon einmal gehört.“ Sie zwinkerte ihm zu.
„Entschuldigen Sie, Mrs Jennings.“
Kathryn drehte sich beim Klang der hohen Stimme hinter ihr um. „Oh … hallo, Molly.“
Das Küchenmädchen machte einen Knicks und hielt ihr einen Umschlag hin. „Mr MacGregor hat mich gebeten, Ihnen das zu bringen, Madam. Er hat gesagt, dass Sie es gleich lesen sollen. Ich soll auf Ihre Antwort warten.“
Als Kathryn den Brief entgegennahm, sah sie, wie Molly einen verstohlenen Blick in Gabes Richtung warf. Gabe bemerkte davon nichts. Er aß genüsslich den nächsten Bissen von seinem Käse und schaute dann ungezwungen auf. Er lächelte Molly an, die sofort den Kopf senkte. Aber Kathryn entging die plötzliche Röte, die in ihre Wangen stieg, nicht.
Kathryn lächelte im Stillen, hob die unversiegelte Klappe des Umschlags und las den Brief. Ihr Gesicht begann zu glühen.
Obwohl sie froh war, dass sie endlich eine Chance bekam, mit ihm über sein Angebot zu sprechen, trug Donlyn MacGregor sicher nicht zur Verbesserung ihrer Situation bei, indem er sie auf diese Weise einlud. Sie bezweifelte nicht, dass das Küchenmädchen den Inhalt des Briefes schon gelesen hatte. Kathryn hatte schnell gemerkt, dass Molly nicht sehr vertrauenswürdig war. Offenbar hatte Mr MacGregor doch keine Ahnung, wie seine Angestellten waren.
„Molly, bitte richte Mr MacGregor aus, dass ich seine Essenseinladung ablehnen muss, aber dass ich mich darauf freue, später mit ihm zu sprechen.“
Das Mädchen nickte, warf einen letzten Blick in Gabes Richtung, drehte sich dann um und eilte ins Haus zurück.
Kathryn warf einen Blick auf Gabe und zwinkerte. „Wie ich sehe, hat da jemand ein Auge auf dich geworfen, Gabe.“
Er stand auf und wischte sich die Krümel von seinem Hemd. „Das Gleiche könnte man auch von Ihnen sagen, Miss Kathryn.“
Ausnahmsweise lächelte er bei diesen Worten nicht.
Kathryn wachte am nächsten Morgen früh auf, um sich für Gabes Überraschung fertig zu machen. Er wollte ihr nicht verraten, was es war, aber dank Miss Maudies Hilfe am Vorabend hatte sie alles vorbereitet. Außerdem hatte sie durch die Großzügigkeit der älteren Dame vier weitere schwarze Kleider, aus denen sie wählen konnte. Jedes Kleid war so gut, dass sie es zu jeder Gelegenheit tragen konnte, und war so bequem geschnitten, dass es ihr passen würde, bis das Baby zur Welt kam.
Wie jeden Morgen nach dem Aufstehen drehte Kathryn den Schlüssel der Spieluhr dreimal herum und stellte sie auf den Seitentisch. Sie sang leise mit, während sie den Vorhang vor dem offenen Schlafzimmerfenster zurückzog, um einen Blick auf die Ställe und die Prärie im Osten zu werfen. Die Sonne ging am Horizont auf und die letzten Sterne verblassten. Obwohl es bereits Juli war, wehte ein kühler Morgenwind und trug den Duft des Präriegrases und des Viehs heran.
Kathryn schloss die Augen und war für einen Moment zurück auf ihrer Ranch. Sie konnte sich die Blockhütte vorstellen, den Stall, die hohe Blautanne und die zitternden Espen. Sie konnte den Bach hören, der hinter der Hütte plätscherte, und sie konnte sogar die Fichten riechen. Ein leichter Wind wehte die Haare von ihren Schultern und sie stellte sich vor, es wäre der sanfte Windhauch von Engelsflügeln. Engel aus der Höhe, wie es in einem Lied hieß.
Sie schlug die Augen auf und sah einen Reiter über die weite Prärie näher kommen. Im rötlichen Licht der Morgendämmerung berührten die Pferdehufe scheinbar kaum die Erde, als das Tier über die offene Prärie flog. Der Reiter und das Pferd bewegten sich, als wären sie eins. Kathryn erinnerte sich an dieses Gefühl. Freiheit. Larson hatte sie vor vielen Jahren gelehrt, so zu reiten.
Der Reiter verlangsamte sein Pferd zu einem leichten Galopp und brachte das Tier dann ganz zum Stehen. Er
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