Die Rückkehr des Fremden (German Edition)
innerlich ergriffen hatte, würde äußerlich wie Überraschung wirken. „Hier liegt ein Missverständnis vor, glaube ich, Madam.“
Annabelle lachte schnaubend. „Das kann man wohl sagen“, knurrte sie und ging langsam auf ihn zu. Bei jedem Schritt, den sie näher kam, fühlte Larson, wie seine sorgfältig konstruierte Welt ein Stück mehr auseinanderbrach. „Ihre Augen haben Sie verraten. Er hatte Augen, die einen völlig durchschauen können, hat Kathryn zu mir gesagt. Und ich weiß, dass Kathryn Jennings so früh keinen anderen Mann anschauen würde, es sei denn, er ist ihr Mann.“ Sie biss sich auf die Unterlippe und lachte leise. „Und ich wette, dass ich ihm gerade gegenüberstehe.“
Larson schüttelte den Kopf und hatte Mühe, das Zittern in seiner Stimme zu verbergen. „Ich bin nicht der, für den Sie mich halten, Madam.“
In Annabelles Augen traten Tränen, und aus dem Unbehagen in ihrem Gesicht schloss er, dass ihr diese Gefühle nicht recht waren. „Ich will nur eines wissen: Warum haben Sie Kathryn nicht gesagt, dass Sie noch leben?“
Larson staunte über das, was er im Gesicht dieser Frau sah. Sie stand uneingeschränkt hinter Kathryn. Nein, noch mehr. Annabelle strahlte einen Beschützerinstinkt aus, der ihm fast Angst machte. Diese Frau würde kämpfen und Kathryn um jeden Preis beschützen.
Dieser Gedanke löste etwas in ihm aus, und er holte tief Luft. „Kathryn Jennings’ Mann starb im letzten Dezember. Das weiß ich genau, denn … ich war dabei.“
„Ich bin für Sie vielleicht nur eine Hure, Mister, aber ich weiß mehr darüber, wie es in einem Menschen aussieht, als Sie je wissen werden. Nehmen Sie also diese Brille ab und sagen Sie mir das noch einmal ins Gesicht.“
Larson ballte die Hände zu Fäusten, um sein Zittern zu unterbinden. Dann tat er, worum sie ihn gebeten hatte.
Er beugte den Kopf und rieb sich die Augen, da er das Licht nicht gewohnt war. Dann schaute er langsam auf. Annabelles Augen waren beunruhigend blau und gefährlich klug. Larson zwang sich, ihren Blick zu erwidern. Sie glaubte seiner Geschichte nicht. Er müsste also eine andere Möglichkeit finden, sie zu überzeugen.
„Was ich Ihnen jetzt sage, ist die Wahrheit. Larson Jennings starb im Dezember bei einem Brand. Er erlitt so schwere Brandverletzungen, dass von dem Mann, der er war, fast nichts übrig blieb. Kathryn hat ihren Mann beerdigt und hat sich ein neues Leben aufgebaut, und so muss es auch bleiben.“
Annabelle schüttelte den Kopf. „Kathryn hat mir immer gesagt, dass Sie nicht tot sind. Sie sagte, sie fühle es …“ Sie legte sich eine Hand aufs Herz. „… hier drinnen.“
Larson biss die Zähne zusammen, um seine aufgewühlten Gefühle im Griff zu behalten. Er rief sich ins Gedächtnis, dass er das tat, was für Kathryn und für das Baby das Beste war. Was für alle das Beste war. Aber warum musste es so wehtun? „Selbst wenn ihr Mann aus dem Grab zurückkäme, hätte er nichts, das er ihr geben könnte. Er hat alles verloren, als er starb. Er war nicht mehr der Mann, den sie geheiratet hat, oder ein Mann, den sie wollen würde.“ Larson betete, dass Annabelle die Wahrheit erkennen würde. „Kathryn verdient etwas viel Besseres. Sie verdient etwas Besseres als ihn.“
Sie antwortete nicht sofort. Ihre Stimme war ein Flüstern, als sie endlich sprach, aber ihre Miene war wütend. „Haben Sie eine Ahnung, was sie durchgemacht hat?“
Larson schaute an Annabelle vorbei zu der Stelle, wo er gestanden und zugesehen hatte, wie Kathryn an jenem ersten Abend das Bordell betreten hatte, nachdem er ihr durch die Stadt hierher gefolgt war. Das schien eine Ewigkeit her zu sein. Er fühlte nicht einmal mehr so wie damals. Er seufzte und überlegte, wie er Annabelle überzeugen könnte. Dann fiel es ihm ein. Die Worte schmeckten wie Rost auf seiner Zunge.
„Es gibt etwas, das Kathryn jetzt hat und das ihr Mann ihr nie geben konnte. Das er ihr nie geben kann. Und das ist etwas, das Kathryn sich ihr ganzes Leben lang gewünscht hat.“
Annabelle runzelte die Stirn, dann öffnete sie leicht den Mund. „Sie sprechen von dem Baby?“
Er nickte. „Matthew Taylor ist bereit, die Verantwortung für das, was er getan hat, zu übernehmen. Kathryn mag ihn, und mit der Zeit wird sie ihm erlauben, sie zu versorgen.“ Es raubte ihm den wenigen Stolz, der ihm noch geblieben war, als er diese Worte laut aussprach. „Er kann ihr das Leben bieten, das ihr Mann ihr nie geben konnte.“
„Sie
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