Die Rückkehr des Fremden (German Edition)
und kühlte es mit ihren Händen. Sadies Augen gingen flatternd auf, und Kathryn genoss die seltene Weichheit, die sie darin entdeckte. Sie ist so jung, Herr. Gib ihr Hoffnung. Hilf ihr, deine Liebe zu sehen. „Es tut mir so leid, dass dir das passiert ist, und ich bin froh, dass du wieder gesund werden wirst. Du bist etwas ganz Besonderes für mich, weißt du das? Erinnerst du dich an meinen ersten Tag hier?“
Sadie nickte.
„Du hast kein Wort gesagt, aber die Art, wie du mich angelächelt hast … Irgendwie gabst du mir damit das Gefühl, nicht ganz allein zu sein.“ Kathryn brach ab. Ihr Herz schlug schneller, als ihr bewusst wurde, was sie Sadie wirklich sagen wollte und was sie ihr sagen musste. „Du bist auch nicht allein, Sadie. Du bist für Gott etwas ganz Besonderes. Er kennt deinen Namen, und er liebt dich mehr, als du ahnst.“
Sadies Miene verdunkelte sich. Sie schloss die Augen und drehte das Gesicht weg.
Kathryn litt unter der wortlosen Ablehnung. Wie oft hatte sie sich selbst von Gott nicht geliebt gefühlt, besonders in den letzten Monaten? Wie oft hatte sie seine Liebe infrage gestellt? Sie wollte diesem Kind helfen zu verstehen, dass man Gottes Liebe nicht nach den eigenen Umständen beurteilen konnte, aber wo sollte sie anfangen? Wie beschrieb man jemandem, der immer nur in der Wüste gelebt hatte, das Meer?
„Du glaubst im Moment wahrscheinlich nicht, dass Gott dich sehr liebt, Sadie. Aber bitte lass dich nicht dazu verleiten, seine Liebe an den schlimmen Dingen, die dir passieren, oder daran, wie andere Menschen dich behandeln, zu messen. Und schon gar nicht an dem Mann, der dir das gestern Nacht angetan hat. Gott hat ein besseres Leben für dich geplant. Du bist so viel mehr wert, als man dir bis jetzt einredet.“
Langsam drehte sich Sadie wieder zu ihr um. Ihre Augen waren glasig, ihre Miene vorsichtig. „Du bist eine gute Frau, Kathryn … ich bin froh, dass du hierhergekommen bist … und dass du gestern Abend bei mir warst. Ich bin auch froh, dass Jacob da war.“ Sie zog die Stirn in Falten. „Was weißt du über diesen Jacob?“
Diese Frage machte Kathryn neugierig. Sie setzte sich ein wenig höher auf. „Warum fragst du?“
„Er ist ganz anders als die Männer, die ich bis jetzt kenne.“
Diese Bemerkung entlockte Kathryn ein Lächeln. „Ja, das kann ich mir vorstellen.“ Sie wollte lieber nicht daran denken, was für Männer dieses Kind in seinem kurzen Leben kennengelernt hatte. Sie waren wahrscheinlich eher Ungeheuer. Jacob war gestern Abend so sanft, so mitfühlend zu Sadie gewesen.
„Der Blick in seinen Augen … ist genauso wie deiner.“ Sadie blinzelte wieder, als habe sie Mühe, wach zu bleiben.
Kathryn zögerte und war sicher, dass sie sie falsch verstanden hatte. „Du … du hast Jacobs Augen gesehen?“
„Ja. Aber er wollte sie mir zuerst nicht zeigen.“
Kathryn konnte sich nicht erklären, warum sie das verletzte. Warum sollte es sie stören, dass Jacob Sadie diesen Teil von sich gezeigt hatte? Aber sie wusste warum. Weil sie wollte, dass er ihr mehr von sich zeigen würde. Sie wollte ihm in die Augen schauen, wie Sadie es anscheinend getan hatte.
„Sadie, du solltest dich jetzt lieber ausruhen.“ Annabelle stand im Türrahmen. Sie hatte die Arme verschränkt und in ihrer Stimme lag ein strenger Unterton. „Dr. Hadleys Anweisungen, erinnerst du dich?“
„Ich komme dich bald wieder besuchen.“ Kathryn drückte Sadie einen leichten Kuss auf die Stirn. Herr, lass sie deine Gegenwart fühlen. Rühre sie an mit deiner heilenden Hand.
Dann schaute sie, von Gabes Zärtlichkeit gerührt, zu, wie er sich vorbeugte und schweigend und liebevoll seine große Hand auf Sadies kleine Hand auf der Bettdecke legte. Aber Sadie reagierte nicht; sie war schon wieder eingeschlafen.
„Annabelle, bist du sicher, dass alles in Ordnung ist?“, fragte Kathryn und folgte ihr auf die hintere Veranda. Die Abendluft war kühl und sauber. In ihr lag schon ein Hauch des bevorstehenden Herbstes und das war angenehm erfrischend, nachdem sie die abgestandene Luft des Hauses geatmet hatte.
„Ich warte im Wagen“, bot Gabe an. „Es war schön, Sie wiederzusehen, Miss Annabelle.“
„Ja, es war auch schön, dich wiederzusehen, Gabe“, antwortete Annabelle nach einem Moment, ohne ihn richtig anzuschauen. Ihre Hände umklammerten das Verandageländer.
Kathryn trat zu ihr und war jetzt sicher, dass etwas nicht stimmte. „Annabelle, was ist? Ich sehe dir an, dass
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