Die Rückkehr des Fremden (German Edition)
schmerzverzerrter Miene die grausame Wirklichkeit. Sie wartete darauf, dass sich ihr Zorn entfachen und ihren Körper wärmen würde. Stattdessen fühlte sie sich … leer und taub.
Zehn Jahre lang hatte Larson für diese Ranch gelebt. Er hatte gegen Krankheiten gekämpft, die das Vieh zu Hunderten dahingerafft hatten. Er hatte es mit diesem eigensinnigen, rauen Land, seinen brutalen Wintern und trockenen Sommern aufgenommen. Und obwohl Kathryn nicht das ganze Ausmaß kannte, wusste sie, dass ihr Mann auch in sich selbst einen Krieg ausgefochten hatte. Einen Krieg, der so persönlich war, so verzehrend, dass er manchmal ein Eigenleben zu führen schien.
Eine niederschmetternde Wahrheit griff nach ihrem Herz und raubte ihr den Atem. Larson hatte so kurz davor gestanden, seinen Traum zu erfüllen, und sie hatte nun mit einem einzigen Schlag alles verloren.
Kapitel 10
D er Gestank war schrecklich. Kathryn zog es den Magen zusammen.
Sie hielt sich ein Taschentuch über den Mund und legte eine Hand auf Gabes Arm. Er hatte den Wagen am Rand der Weide zum Stehen gebracht. Aus der Ferne sah es so aus, als hätte sich die Herde in der warmen Mittagssonne zwischen den vereinzelten Schneefeldern, die immer noch die Prärie überzogen, schlafen gelegt. Aber als der Wagen näher kam, lag eine unnatürliche Stille in der Luft, und die aufgedunsenen Kadaver und der Übelkeit erregende Verwesungsgeruch bewiesen, dass dieser Eindruck falsch war.
Kathryn fühlte Gabes Blick auf sich und sah zu ihm hinüber. Das helle, funkelnde Blau in seinen Augen erweckte den Eindruck, dass dahinter eine Lichtquelle steckte, die tief in ihm brannte. Er legte seine raue Hand über die ihre, und sie spürte einen Trost, der nicht mit Worten zu beschreiben war. Er lächelte ihr ermutigend und tröstlich zu, doch sie brachte es nicht fertig, diese freundliche Geste zu erwidern.
„Danke, dass du heute mit mir hierhergekommen bist, Gabe. Ich musste das einfach mit eigenen Augen sehen.“ Sie schaute mit einem Seufzen über die Weide und erinnerte sich an Mr Taylors Entsetzen. Das, womit sie ihren Lebensunterhalt hatte bestreiten wollen, war nun tot und verrottete vor ihren Augen.
„Es tut mir leid, dass das passiert ist.“
Kathryn kamen die Tränen. Die Aufrichtigkeit in seiner Stimme rührte sie an. Sie nickte stumm und hob den Blick zu den Bergen im Westen. Woher mir Hilfe kommt. Bevor sie heute Nachmittag hierhergekommen war, hatte sie bewusst den Psalm 121 gelesen, der davon sprach, dass Gott ihre Hilfe und ihr Versorger war. Als sie jetzt hier saß und von der Szene, die sich ihr bot, tief betroffen war, bemühte sie sich, an dieser Verheißung weiterhin festzuhalten. Aber der Wind, der sie umwehte und nach einer endgültigen Niederlage roch, rüttelte stark an ihrem Glauben.
Matthew Taylor ritt zu ihr. Er hatte ein Tuch über seinen Mund und seine Nase gebunden. Er zog es nach unten und nickte Gabe kurz zu, bevor er sich an sie wandte. „Mrs Jennings, wir fangen bald an, die Kadaver zu verbrennen …“ Die Besorgnis in seiner Stimme sagte ihr, dass sie gehen sollte. Seine grimmige Miene verriet, dass er die Verantwortung für das, was hier passiert war, übernahm, so unbegründet seine Schuldgefühle auch waren.
„Ich fahre wieder“, sagte sie, „aber bevor ich gehe, sollen Sie wissen, dass ich Sie in keinster Weise für das, was hier passiert ist, verantwortlich mache. Das war nicht Ihre Schuld!“
Er kniff die Augen zusammen und wandte den Blick ab. „Ich habe die Männer, die ich vor einer Woche hier postiert hatte, immer noch nicht gefunden. Sie waren neu. Ich habe bereits nach dem Sheriff geschickt. Ich weiß nicht, ob es uns weiterhilft, aber ich möchte trotzdem, dass er das hier sieht.“
Sie runzelte die Stirn. „Haben Sie irgendeine Idee, was mit dem Vieh passiert ist? Woran die Tiere gestorben sind?“
Er schüttelte den Kopf. „Vor ein paar Jahren wurden weiter südlich von hier Tiere vergiftet. Am Ende fand man heraus, dass es am Futter gelegen hatte. Vor nicht allzu langer Zeit zog ein Viehtreck über diese Wiesen; der Treck könnte das Texas-Fieber mitgebracht haben, das durch Zecken übertragen wird.“ Er seufzte. „Ich weiß es ehrlich nicht, Madam. Aber es sieht sehr verdächtig aus.“
Sie schätzte Matthew Taylors Meinung sehr. Außerdem hatte sie in den letzten Wochen gelernt, dass ein himmlisches Eingreifen nötig wäre, um ihn von einer Meinung, die er einmal gefasst hatte, wieder abzubringen. Als
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