Die Rückkehr des Fremden (German Edition)
deshalb immer mehr verachtet hatte.
Er kehrte in die Gegenwart zurück und sein Blick wanderte zu einer kleinen Menschenansammlung auf einem eingezäunten Grundstück hinter der Kirche mit dem weißen Kirchturm. Er erinnerte sich daran, dass er vor Jahren einmal mit Kathryn in dieser Kirche gewesen war, als sie ihn bei einer ihrer Einkaufsfahrten gebeten hatte, zum Sonntagsgottesdienst zu bleiben. Er hatte damals jede Minute als Qual empfunden. Die Enge der Kirchenbänke, das gedämpfte Flüstern und die ernsten Mienen, die er als missbilligend empfunden hatte.
Kathryn hatte sich auf dem Heimweg nicht weniger als fünfmal bei ihm dafür bedankt, dass er mit ihr dort gewesen war. Doch Larson hatte sich nur darin bestärkt gefühlt, dass er mit Gott am besten in der Natur und weit weg von anderen Leuten kommunizierte.
Als Larson sich der kleinen Gruppe weiter näherte, begriff er, zu welchem Zweck sie hier standen. Zwei Männer arbeiteten gemeinsam daran, einen Sarg, unter den Seile gelegt waren, in ein Loch in der Erde hinabzulassen. Drei andere Menschen schauten schweigend zu: eine Frau, die ganz in Schwarz gekleidet war, und zwei Männer neben ihr. Aus der Bibel in den Händen des einen Mannes schloss Larson, dass er der Pfarrer war, aber es war nicht der Mann mit dem säuerlichen Gesicht, der damals auf der Kanzel gestanden war.
Während er langsam an der spärlichen Trauergesellschaft vorbeiritt, befiel Larson plötzlich Mitleid mit der verstorbenen Seele und er fragte sich, was für ein Leben dieser Mensch wohl geführt hatte, wenn so wenige gekommen waren, um von ihm Abschied zu nehmen. Dann drehte die Frau den Kopf und sagte etwas zu einem der Männer, die neben ihr standen.
Ein stechender Schmerz raubte Larson den Atem.
Kathryn.
Er stieg ab und wollte zu ihr gehen, aber etwas hielt ihn zurück.
Sie ging zu dem Haufen aus lockerer Erde und hob eine Handvoll auf. Dann trat sie vor und nach einem kurzen Zögern ließ sie die Erde schließlich durch ihre Finger gleiten. Larson stand nahe genug, um den hohlen Klang zu hören, als die Erde und die Steinchen auf dem Sarg aufschlugen. Er sah deutlich, dass sie erschauerte. Ihre Bewegungen waren langsam und gezielt, als hätte sie sich alles sorgfältig überlegt.
Sie sah irgendwie verändert aus. Er saugte ihren Anblick in sich auf. Er spürte, wie die zerstreuten Teile seines Lebens wieder zusammenkamen.
Sein Verstand arbeitete auf Hochtouren, während er überlegte, wer wohl in diesem Sarg liegen könnte. Sie kannte nur wenige Leute. Er hatte schnell jemanden gefunden. Bradley Duncan. Während er die Taubheit aus seinem rechten Bein rieb, erinnerte er sich an den Nachmittag, an dem er den jungen Mann bei Kathryn in der Blockhütte angetroffen hatte. Obwohl er Gott in den letzten Monaten angefleht hatte, ihn von seiner Eifersucht zu befreien und ihm eine Chance zu geben, die Dinge ins Reine zu bringen, wurde tief in ihm ein bitterer Funke entfacht.
Er beugte den Kopf. Besäße er je die Kraft, sein altes Wesen abzulegen? In diesem Moment drehte sich Kathryn zu ihm herum, und ihm war schlagartig klar, dass die Antwort auf diese Frage Nein lautete.
Larson wollte es nicht glauben. Er kannte den Körper seiner Frau genauso gut wie seinen eigenen, und die leichte Rundung unter ihren Röcken ließ keine Zweifel zu. Larsons Beine fühlten sich an, als würden sie jeden Augenblick unter ihm nachgeben.
Er hatte seinen Ranchvorarbeiter zuerst nicht erkannt, aber Larson beobachtete, wie Matthew Taylor schützend den Arm um Kathryn legte, als wolle er sie stützen. Eine unangenehme Hitze zog Larsons Brustkorb zusammen, als er diese vertraute Geste sah. Kathryn nickte Taylor zu und legte beiläufig eine Hand auf ihren Bauch. Er hatte Matthew Taylor die zwei Dinge anvertraut, die ihm auf der ganzen Welt am wichtigsten waren: seine Ranch und seine Frau. Es sah so aus, als hätte Taylor in beiden Bereichen sein Vertrauen bitter enttäuscht. Und dabei hatte er Kathryn das gegeben, was Larson ihr nie hatte geben können.
Mit Taylors stützender Hand unter ihrem Arm wandte sich Kathryn vom Grab ab. Taylor flüsterte ihr etwas zu. Sie lächelte ihn an, und Larsons Herz erstarrte zu Stein. Sie gingen an ihm vorbei, als wäre er Luft. Plötzlich kam er sich unsichtbar vor, und zum ersten Mal in seinem Leben störte es ihn nicht, dass er nicht erkannt wurde. Das Gefühl der Niederlage und ein glühender Zorn kämpften in ihm, als er den beiden nachschaute, wie sie zur Stadt
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