Die Rückkehr des Fremden (German Edition)
zurückgingen.
Als der Pfarrer wieder in der Kirche verschwunden war und die Friedhofsarbeiter ihre Arbeit beendet und den Friedhof verlassen hatten, ging Larson zum Rand des Grabes. Er betrachtete das behelfsmäßige Grabkreuz und rang nach Luft. Als er den Namen las, der in das raue alte Holz geschnitzt war, konnte er sich nicht mehr auf den Beinen halten und sank auf die Knie. Seine Welt wurde einmal mehr aus den Angeln gehoben.
Unter den Jahreszahlen 1828–1868 stand der Name:
LARSON ROBERT JENNINGS
Kapitel 14
D ie Tage gingen nahtlos ineinander über, und sie waren alle gleich.
Kathryn arbeitete von Tagesanbruch bis weit nach Einbruch der Nacht, aß, wenn sie Hunger hatte, und schlief, um der Realität zu entfliehen. Ihr war nicht bewusst gewesen, welche Kraft ihr die Hoffnung auf Larsons Rückkehr gegeben hatte. Jetzt, da diese Hoffnung gestorben war, war das Einzige, das sie noch aufrecht erhielt, das Geschenk ihrer Liebe, das in ihr heranwuchs. Selbst der leidenschaftliche Wunsch, das Land zu behalten, hatte etwas von seiner Intensität verloren. Was half das Land, wenn sie und ihr Kind es nicht mit Larson teilen konnten? Aber sie wusste, dass sie weiterkämpfen musste – sie musste Larsons Kind ein Zuhause schaffen.
Eines Morgens stand sie früh auf und musste sich zwingen, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Myrtle hatte sie gebeten, ihr in der Frühstücksschicht zu helfen. Deshalb hatte Kathryn ihre Arbeitszeit bei Mr Hudson auf den Nachmittag verlegt. Auf dem Weg zu Myrtles Restaurant schlängelte sie sich durch die vielen Leute auf dem Gehweg. Sie fuhr mit der Hand über das große Vorderteil des schwarzen Kleides, das sie zur Beerdigung genäht und seitdem jeden Tag getragen hatte. Sie hatte es so angefertigt, dass für die nächsten Monate noch genug Platz blieb, doch die jüngsten Veränderungen in ihrem Körper zeigten, dass dieser Platz bald ausgefüllt wäre.
Als sie den hölzernen Gehweg hinabschaute, erblickte Kathryn Matthew Taylor, der mit einem älteren Herrn sprach, den sie nicht kannte. Sie überquerte schnell die Straße und wandte ihr Gesicht ab. Mr Taylor stand mit dem Rücken zu ihr, und sie hoffte, er habe sie nicht gesehen. Obwohl sie für Matthews Freundschaft und Unterstützung in den letzten Tagen dankbar gewesen war, fühlte sie sich in seiner Nähe zunehmend unsicher. Die Gefühle, die seine braunen Augen vorher nur angedeutet hatten, waren jetzt nur allzu offensichtlich.
Mit einem schnellen Blick hinter sich stellte sie fest, dass sie Matthews Aufmerksamkeit entgangen war, und verlangsamte ihre Schritte. Sie spürte eine Bewegung in ihrem Bauch. Diese Bewegungen wurden in letzter Zeit häufiger. Ihr wurde wieder warm ums Herz und sie erinnerte sich daran, wie Sadies zimtbraune Augen aufgeleuchtet waren, als sie von dem Baby gehört hatte. Annabelle hatte Sadie eines Morgens zu ihr gebracht. Kathryn hatte sich riesig gefreut, sie wiederzusehen. Das ruhige, zurückhaltende Mädchen, das eigentlich selbst noch ein Kind war, lächelte in letzter Zeit kaum noch. Deshalb war ihre Reaktion besonders erfreulich gewesen.
Der Tag kroch dahin, aber nicht, weil es ihr an Arbeit gefehlt hätte. Kathryn war am Nachmittag wieder in der Herrenschneiderei und nähte, bis die Muskeln in ihren Fingern brannten. Dann ging sie daran, die frisch gewaschenen Hemden, die im Hinterzimmer an der Stange hingen, zu bügeln.
„Entschuldigen Sie, Mrs Jennings?“
Mr Hudson, ihr Arbeitgeber, stand im Türrahmen. Er hielt einen großen Strauß roter Rosen in den Händen.
„Das ist gerade gekommen.“ Er zwinkerte. „Es ist ein Umschlag dabei.“
Kathryns Neugier war entfacht. Sie stellte das Bügeleisen wieder auf das Gitter, das sich über der heißen Glut des Ofens befand, und wischte sich die Hände am Rock ab. „Wer hat das gebracht?“
„Ich habe keine Ahnung“, antwortete er mit einem Achselzucken und reichte ihr den Strauß. „Ich ging gerade zur vorderen Bedienungstheke und fand sie dort. Es sieht so aus, als hätten Sie einen Verehrer, Mrs Jennings. Und noch dazu einen extravaganten.“
Er zwirbelte übertrieben an seinem Schnurrbart, und Kathryn musste lächeln. Mr Hudson war schon in fortgeschrittenem Alter und behandelte sie eher wie eine Tochter als wie eine Angestellte. Sie dachte an ihren eigenen Vater und ihr Lächeln verschwand.
Das schelmische Zwinkern in seinen Augen wurde weicher. „Hier draußen kommen auf eine Frau zwanzig Männer, Mrs Jennings, und ich habe
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