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Die Rueckkehr des Henry Smart

Die Rueckkehr des Henry Smart

Titel: Die Rueckkehr des Henry Smart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roddy Doyle
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lebst.
    – Recht hatte sie.
    – Ja. Ich habe eine Adresse, aber ich glaube, da ist sie nicht mehr.
    – Wo?
    – Chicago. Einmal hat sie mich angerufen. 1964. Seitdem nicht mehr.
    – 1964 war ich hier.
    – Ich weiß.
    – Ich war da draußen und hab deinen Rasen gemäht.
    – Weiß ich auch. Und es tut mir leid. Unheimlich leid. Hör zu, Henry, wir müssen Schluss mit dieser Eaton-Place-Masche machen, wenn wir weiterkommen wollen.
    – Was zum Henker meinst du mit der Eaton-Place-Masche?
    – Das Haus am Eaton Place – eine Fernsehserie. Herrschaft und Gesinde, oben und unten. Sehr gut übrigens.
    – Sie lebt.
    – Meine ich.
    – Meinst du?
    – Sie ist wie ich. Das hab ich begriffen, als sie gegangen ist.
    Sie stand auf – kein Knochen knackte – und beschäftigte sich wieder mit dem Kessel.
    – Sie ist eine Überlebenskünstlerin.
    – Wie wir alle.
    – Bis auf Séamus.
    Ich weinte.
    Sie drückte meinen Kopf an ihren alten Bauch, ich flennte in ihren Morgenrock.
    – Ich habe ihn geliebt.
    – Ich weiß.
    – Ich habe ihn geliebt.
    – Ich weiß. Und du hast ihn gerettet.
    – Er ist gestorben.
    – Ja, sagte sie. – Aber er hat mitgekriegt, wie du ihm das Leben gerettet hast. Nicht viele Väter haben das getan.
    – Jetzt drückst du aber gewaltig auf die Tränendrüse.
    – Ich weiß, sagte sie und ließ meinen Kopf los. – Es ist lange her.
    – Hast du ein Foto? fragte ich.
    – Nein. Gar nichts.
    Sie ging wieder an den Kessel und ans Brotbrett.
    – Es gab nichts, sagte sie. – Kein Andenken. Nur ihn und die Sachen, die er trug. Und die waren so abgerissen, dass man sie nicht ausziehen konnte.
    – Wo? fragte ich.
    – Kansas. Da haben wir nach dir gesucht.
    – Ich war in Kansas.
    – Es ist ein großer Staat.
    – Verdammt groß.
    – Er ist am Straßenrand gestorben. Ich schäme mich deswegen.
    Sie seufzte.
    – Aber so ist es nun mal.
    Sie stellte eine Teekanne auf den Tisch, neben meinen Platz.
    – Ich trinke keinen Tee, sagte ich.
    – Wer sagt, dass er für dich ist?
    Sie ging zur Anrichte.
    – Ich hab nur Schnellkaffee.
    – Was ist mit der Kaffeemaschine da drüben?
    Sie war mir schon vorher aufgefallen, ein großes altes silbriges Ding aus Amerika.
    – Zu mühsam, sagte sie. – Musst schon mit dem Pulverzeugs vorliebnehmen.
    – Schon gut. Du hast nach mir gesucht.
    – Ja, natürlich. Jahrelang.
    – Ich hab Geschichten gehört, sagte ich. – Und Fahndungsplakate gesehen. Dark Rosaleen. Lady O’Shea.
    – Hab mir gedacht, dass du die sehen würdest.
    – Aber zu spät.
    – Von dir hab ich auch gehört, Henry. Ich wusste, dass du es warst. Der einbeinige O’Glick.
    – Wir müssen sehr nah beieinander gewesen sein.
    – Stimmt.
    Sie saß jetzt neben mir und hielt meinen Arm.
    – Aber dann hörte das alles auf, sagte sie.
    – Ich wusste, dass er tot war. Ich hab’s gespürt.
    – Ich bin nach Hause gefahren und hab gedacht, du würdest auch kommen.
    – Bin ich auch.
    – Aber nicht gleich.
    – Ich hab gedacht, du bist tot.
    – Unser Leben hätte ganz anders verlaufen können.
    – Yeah.
    – Aber ganz ehrlich, Henry ...
    Sie tätschelte meinen Arm.
    – Ich bedaure nichts.
    Das musste sich bei mir erst setzen.
    – Ich habe einen guten Mann geheiratet, sagte sie.
    – Red keinen Scheiß. Du warst doch schon mit einem guten Mann verheiratet, zum Henker.
    – Weißt du was, Henry Smart? In all den Jahren, die ich mit ihm verheiratet war, hat er nie Scheiße gesagt. Kein einziges Mal.
    – Wie reizend.
    – Nicht ein einziges Mal.
    – Jetzt hör mal, sagte ich. – Du hast gewusst, worauf du dich einlässt, als du mich geheiratet hast.
    – Stimmt.
    – Wie war es denn so?
    – Was?
    – Doppelt verheiratet zu sein.
    – Anders, sagte sie. – Er war ein ganz anderer Mensch. Und ich muss auch zugeben, dass ich eine andere Frau geworden bin.
    – Und du hast nichts bereut.
    – Nein.
    Sie seufzte. – Nie.
    – Komm, das ist doch gelogen!
    – Nein.
    Draußen hatte ein neuer Tag angefangen. Ich sah, wie sich an der hinteren Wand die Sonne langsam zu den Blumenbeeten herunterarbeitete. Der Rasen war offenbar gemäht, und aus der Erde kam kein Unkraut hoch. Das Luder hatte einen neuen Gärtner.
    – Ich war am Boden zerstört, als ich nach Hause kam, sagte sie. – Getrauert hab ich erst dort.
    – Das alte Haus ist weg, sagte ich.
    – Ich weiß.
    – Ich hab danach gesucht.
    – Und nach mir.
    – Ja, sagte ich. – 1951.
    – Ich hab 1943 geheiratet.
    – Du bist eine

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