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Die Ruhelosen

Die Ruhelosen

Titel: Die Ruhelosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minelli Michele
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Gegenleistung forderte Guillerm Pujal Sobrequés von Alda, dass sie mit ihm, Seite an Seite, auf der Chaiselongue an den Wochenenden im Radio Hörspielen lauschte. Ein kleines Opfer, das sie zu erbringen gerne bereit war. Der Rauch seiner Zigarren kitzelte sie zwar in ihrer Nase, in ihrem Hals, aber solange er die Finger um die braunen Glimmstengel geknotet hielt und von ihr abließ, war dieses zu ertragen.
    Dank der Schreibmaschine, die fast größer als das Tischlein in ihrer Kammer war, konnte Alda nun in Übung bleiben. Weiß der Teufel, was ihn da geritten hatte, ihr war’s egal, ob er die Verschwendung bereits bereute oder nicht, aber wenn sie schon keine angemessene Weiterführung ihrer Ausbildung als Kinderkrankenschwester bekommen konnte und auch ihr Spanisch sich nur dem aktuellen Sprachstand der Sobrequés-Kinder und der launischen Qualität der wöchentlichen Hörspiele entsprechend weiterentwickelte, so konnte sie doch die Arbeit mit einer Schreibmaschine trainieren.
    In wenigen Monaten, wenn sie denn endlich heimkehren würde, wäre ihre weitere Bürolistinnenkarriere einigermaßen gesichert. Was so schlecht auch nicht war.
    Ihre Sprüche und Gedichte erfreuten sich nun wieder fröhlicherer Gedanken, Worte wie
lachen, zaubern
und
bezaubern
fanden Einlass in ihre Schöpfungsgunst, und Alda fasste Hoffnung auch wieder ganz allgemein.
    Kleine Inserate, die sie für ihre Zukunft für wichtig hielt, schnitt sie fein säuberlich mit der Schere aus und klebte sie Stück für Stück ins Heft. Zum Beispiel hatte sie vor, nach ihrer Rückkehr in die Schweiz die Werbeversprechungen von Trybol zu prüfen, blendend weiße Zähne könnten vielleicht etwas von ihrem roten Haar ablenken, und ganz besonders wärmte sie eine Affiche von J. Klenke in Zürich 1,
Der Coiffeur für die Damen
, der Dauerwellen und Haarfärben anbot. Die protzigen Inserate der Pro Europa, die jeden zweiten Sonntag erschienen und die Automobil-Firmen Brennabor, Hotchkiss, Lorraine, Stoewer und Talbot proklamierten, welche neu in Zürich zugezogen waren, um das europäische Automobil zu stärken, stießen sie eher ab. Alda mochte nicht das Auffällige, das Protzige, sie suchte Ruhe und Bescheidenheit, ordentliche Gewissheit zwischen den feinen Zeilen.
    Als sie am Sonntag, dem 8. September 1929, einen mehrseitigen Bericht mit Bildern zur Eröffnung des Zoologischen Gartens Zürich las, hüpfte ihr Herz. Ein Zoo! Ein richtiger großer Zoo in Zürich! So weit war das von Zug nicht entfernt, um nicht am selben Tag hin und wieder zurück zu können. Zu Hause wäre niemand, der sie am Ausgehen hindern würde, und vielleicht kämen ja die Eltern und die Schwester mit.
    Mit der Zeit begann Alda immer ungeduldiger auch die Wetterberichte zu lesen, wobei ihre Augen zumeist lange auf dem Wort
Zürich
hängenblieben … das alte Heimweh hatte sich noch einmal aufgemacht, an den Rändern ihrer Selbstbeherrschung herumzuzappeln.
    Die Tage wollten nicht vergehen, die Zeit klemmte inden rostigen Scharnieren dieses spanischen Wohnhauses fest.
    Eisern zwang sich Alda eine Kur auf, die da hieß: jede einzelne Zeitung noch einmal von der ersten bis zur letzten Seite durchlesen. Nur wenn sie mit der Heimat verbunden bliebe, gelänge es ihr, die Zappelei abzuschütteln oder zumindest auszuhalten und Façon zu wahren. Also blätterte sie und las all die Neuen Zürcher Zeitungen noch einmal durch.
    Und da überkam es sie heiß und kalt – wie hatte sie etwas so Elementares nur übersehen können? In drei Gottes Namen, wie hatte ihr das passieren können! Die ärgste Gefahr, die ihr auflauerte, einfach nicht erkennen?
    Regelmäßig, nach dem Wetter, standen sie da, in Reih und Glied, marktschreierisch, aufrührerisch, bedrohlich – die Bekanntschafts- und Heiratsinserate verzweifelter Damen und Herren. Eines schlimmer als das andere! Keines aufrecht und wahr, allesamt geschäftsmäßig und nach dem eigenen Vorteil trachtend! Ein Handel, etwas anderes war das nicht, mit jungen Frauen wie ihr: ein Kuhhandel, fauler Kompromiss! Sie war ehrlich entrüstet.
    Da war die Rede von
Liebes-Ehen, Neigungs-Ehen, Finanz-Ehen
und von
Einheiraten, Ideal-Ehen, Vernunft-Ehen
und so weiter, welche zum Beispiel die Agence Générale Strasbourg an der Krämergasse 12 mit Telefon 7589
reell und diskret
zu vermitteln wusste. Aber das war beileibe noch nicht alles! Was diese Damen und Herren bindungswütig so alles von sich gaben! Alda las und erschauderte.
     
    HEIRAT. Maschinentechniker

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