Die Ruhelosen
nicht mehr zwischen uns beiden.
Am Montag, um acht Uhr morgens, bevor er anfing zu arbeiten, schimpfte er, dass Mausi gerade jetzt fortmüsse, wo
so viele Tarife zu machen wären! Ich bemerkte natürlich nicht einmal, dass die schlechte Laune vom Sonntag war –! Wenn ich Auskunft verlangte beim Ausrechnen, bekam ich keine richtige Antwort –!
Die liebe Mutter kam mit frohem Mut etwas später hinüber, um an die Arbeit zu gehen. Nun fing das Gleiche mit ihr an.
Ich werde mir ein Feldbett kaufen, und ihr könnt allein dort drüben wohnen, etc.!
Es ging so weiter bis Mittwoch, den 18. März. Herr Borbély kaufte etwas ein. Er lud uns alsdann zu einem ungarischen Abend ein, wozu er wissen wollte, wie viele Nachtessen zu bestellen seien. Er konnte ja nicht wissen, ob alle kommen würden oder ob wir schon etwas anderes verabredet hätten. Kurz sagte Vater: »Gut, für uns zwei (Vater und mich!) können Sie bestellen.« Wie ein Blitz hat mich das getroffen, und ich sagte: »Und Mama, die ist dann allein zu Haus?«
Das Gesicht von Vater wurde bleich und verzog sich –!
Da ein Kunde zur Tür hereintrat, sagte er ihm kurz und gemütlich: »Ich gehe drum mit meiner Frau nicht aus, auf Wiedersehen!«
Lieber wäre ich weiß Gott wo gewesen in diesem Moment als im Geschäft! Ich stieß Herrn Borbély durchs Atelier hinaus, denn ich konnte ihm nicht Antwort geben auf die Frage: »Warum nicht?«
»Es ist nicht so gefährlich, auf Wiedersehen, bis bald bei Ihrer Frau im Ungarischen«, und wumm, die Türe war zu.
Ist so etwas möglich, dachte ich mir. Wie kann ein Mensch so tierisch sein? Es war in fünf Minuten zwölf Uhr. Ich ging zu Mama hinauf. Beim Essen konnte ich mich nicht überwinden, konnte nicht das Unrecht für meine so arbeitende liebe Mutter ertragen und sagte ihr, ein wenig anders: »Du, Mama, Jenő war da und hat uns eingeladen. Er wollte wissen, wie viele Abendessen er bestellen sollte, und Papa hat
gesagt zwei Plätze. Darauf sagte ich aber, wir sind doch drei. Darauf sagte Papa, ha, da will ich noch überlegen, und auf Wiedersehen, weil ein neuer Kunde kam. Jenő war ganz platt und wollte mich fragen, ja geht Ihr Vater nicht aus mit Ihrer Mutter? Ach, es ist nicht so gefährlich, und Adieu, habe ich gesagt, im Ungarischen werden Sie wissen, wer kommt.«
Wie kann man vor einer Tochter so sprechen? Was gehen Jenő unsere Verhältnisse an –?
Hätte man nicht sagen können, Papa oder Mama haben etwas vor?
Nach dem Essen ging ich gleich rüber zum Friseur Neuhaus. Etwa um halb zwei Uhr telefonierte Papa, ob ich noch da sei. Pino war gekommen, mich abzuholen. Er saß neben mir, als man mir das Telefon ausrichtete.
Um zwei Uhr war ich fertig, und kaum war ich aus der Türe, traf ich mit Vater zusammen. Ganz bleich war er – warum? – und sagte, ich könne sofort packen und gehen. Er wolle mich nicht mehr unter den Augen haben. Ich hätte ihn verleumdet. So ging es bis nach Hause.
Die Tage, die nun für mich und auch für Mama folgten, sind nicht zu beschreiben. Das weiß nur der, der fühlen musste. Plagte ihn wohl das Gewissen – hatte er Angst? Ich habe ES doch niemandem gesagt. Wie könnte ich so etwas von meinem Vater über die Lippen lassen.
Warum war er nicht anständig geblieben? Warum haben wir kein schöneres Familienleben? Das weiß nur der liebe Gott.
Am Sonntagmorgen darauf sagte er, ich könne ihm gegenüber den Morgengruß unterlassen.
Am Nachmittag gingen Mama und ich spazieren in die Felsenau. Wir saßen auf einer Bank und überlegten gemeinsam, wie wir uns erlösen könnten. Fort konnten wir doch nicht! Der lieben Mausi darf man das nicht antun, sie soll auch lieber nichts vom Streit erfahren, sie muss sich doch erholen!
Wir kamen zu keinem Entschluss. Ich hörte von Vater, dass ich nur noch geduldet sei bei ihm, dass ich aus seinen Augen müsse etc. Ich nahm mir mein Geld und Kassabuch, dass ich, wenn es so weit ist, einen Halt hätte. Auch die Mutter plagte er in einem fort mit seiner schlechten Laune –! Und die Arme – sie wusste ja den Grund nicht!
Warum sagte ich ES nicht –?
Wie habe ich geweint, dass mein Vater so sein kann … Mausi sagte mir ja oft: »Du weinst auch immer; wenn ich wegen allem und jedem, was mir Vater sagt, weinen würde –!«
Warum sagte ich ES nicht der Schwester? Am 25. März, beim Aufwischen, fragte ich Papa, ob es ihm ernst sei, dass ich gehen solle bis spätestens 1. April. »Denn ich muss das wissen!«
Wie ein Tier rannte er auf mich zu:
Weitere Kostenlose Bücher