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Die Ruinen von Gorlan

Die Ruinen von Gorlan

Titel: Die Ruinen von Gorlan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Flanagan
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spärlich möblierten Empfangszimmer war dieser Raum gemütlich eingerichtet, mit Polsterbänken, Schemeln, Teppichen, Wandteppichen und Lehnstühlen. In einem davon saß Baron Arald und las in einem Stapel von Papieren. Als der Waldläufer und Will eintraten, blickte er auf.
    »Da hattet Ihr also Recht«, stellte er fest und Walt nickte.
    »Genau wie ich sagte, Mylord. Er überquerte den Burghof, umging den Wachposten, als wäre er gar nicht da, und kletterte den Turm herauf wie eine Spinne.«
    Der Baron legte die Papiere auf einen Beistelltisch und beugte sich nach vorne. »Er kletterte den Turm hoch, sagt Ihr?« In seiner Stimme schwang Ungläubigkeit.
    »Ohne Seil und ohne Leiter, Mylord. Er erstieg die Mauer so leicht, wie Ihr morgens auf Euer Pferd steigt. Leichter sogar, um genau zu sein«, fügte Walt mit dem Anflug eines Lächelns hinzu.
    Der Baron runzelte die Stirn. Er hatte leichtes Übergewicht und nach einer langen Nacht brauchte er manchmal Hilfe, um auf sein Pferd zu steigen. Offensichtlich war er nicht sehr amüsiert darüber, dass Walt ihn daran erinnerte. »Nun«, sagte er und blickte Will streng an, »das ist eine ernste Angelegenheit.«
    Will sagte nichts. Er war nicht sicher, ob er ihm beipflichten sollte oder nicht. Beides barg gewisse Gefahren. Aber er wünschte, Walt hätte den Baron nicht in schlechte Laune versetzt, indem er ihn an seine Beleibtheit erinnerte.
    »Also, was sollen wir denn nun mit dir tun, junger Will?«, fuhr der Baron fort. Er erhob sich aus seinem Stuhl und begann auf und ab zu gehen. Will beobachtete ihn und versuchte vergeblich, seine Stimmung einzuschätzen. Der Baron blieb stehen und strich sich nachdenklich über den Bart.
    »Sag mir, Will«, fuhr er dann fort, ohne den Jungen anzusehen, »was würdest du an meiner Stelle tun? Was würdest du mit einem Jungen tun, der sich mitten in der Nacht hereinschleicht, um ein wichtiges Dokument zu stehlen?«
    »Ich wollte nicht stehlen, Mylord!« Die Worte entfuhren Will, noch ehe er es verhindern konnte. Der Baron drehte sich zu ihm. Mit hochgezogenen Augenbrauen sah er ihn ungläubig an. Will fuhr matt fort: »Ich wollte nur… nachsehen, das ist alles.«
    »Mag sein«, sagte der Baron. »Aber du hast meine Frage nicht beantwortet. Was würdest du an meiner Stelle tun?«
    Will ließ den Kopf wieder hängen. Sollte er um Gnade bitten? Sollte er sich entschuldigen? Oder sollte er versuchen, es zu erklären? Aber dann straffte er die Schultern und richtete sich auf. Er hatte gewusst, was die Konsequenzen sein würden, wenn man ihn schnappte. Und er hatte sich dafür entschieden, das Risiko einzugehen. Er hatte kein Recht, jetzt um Vergebung zu bitten.
    »Mylord …«, sagte er zögernd. Er wusste, dass dies ein entscheidender Moment in seinem Leben war.
    Der Baron betrachtete ihn abwartend.
    »Ja?«, sagte er, und Will fand irgendwie die Kraft fortzufahren.
    »Mylord, ich weiß nicht, was ich an Eurer Stelle tun würde. Ich weiß nur, dass es keine Entschuldigung für meine Tat gibt, und ich werde jede Bestrafung auf mich nehmen, die Ihr beschließt.«
    Während er sprach, hob er das Gesicht, um dem Baron in die Augen zu sehen. Dabei erhaschte er den schnellen Blick des Barons zu Walt. In diesem Blick lag irgendetwas. Fast sah es nach Zustimmung oder Einverständnis aus. Dann war es auch schon verschwunden.
    »Irgendwelche Vorschläge, Walt?«, fragte der Baron in beinahe gleichgültigem Ton.
    Will sah den Waldläufer an. Sein Gesicht war ernst, wie immer.
    »Vielleicht sollten wir ihm das zeigen, was er unbedingt sehen wollte, Mylord«, schlug er vor und zog das Blatt Papier aus dem Ärmel.
    Der Baron gestattete sich ein Lächeln. »Keine schlechte Idee«, sagte er. »Ich nehme an, auf gewisse Weise beinhaltet es bereits seine Bestrafung, oder?«
    Will blickte von einem Mann zum anderen. Hier ging etwas vor, das er nicht verstand. Der Baron schien der Meinung zu sein, dass das, was er gerade gesagt hatte, ziemlich lustig war. Walt andererseits teilte seine Meinung offensichtlich nicht.
    »Wenn Ihr meint, Mylord«, erwiderte er gleichmütig. Der Baron wedelte ungeduldig mit der Hand. »Das war ein Scherz, Walt! Ein Scherz! Also, dann los, zeigt ihm das Papier.«
    Der Waldläufer reichte Will den Zettel. Endlich konnte er die Worte sehen, für die er so viel riskiert hatte. Seine Hand zitterte, als er das Papier entgegennahm. Seine Strafe? Aber wie hatte der Baron wissen können, dass er Strafe verdiente, noch bevor Will die

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