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Die Ruinen von Gorlan

Die Ruinen von Gorlan

Titel: Die Ruinen von Gorlan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Flanagan
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öffnete das Bündel.
    »Nein. Dann haben wir einen Bogen«, sagte er und legte ihn vor Will auf den Boden.
    Wills erste Reaktion war Enttäuschung. Ein Bogen war seiner Meinung nach etwas, das man zur Jagd benutzte. Jeder hatte einen Bogen. Ein Bogen war eher Werkzeug als Waffe. Als Kind hatte er eine ganze Reihe Bögen gemacht, indem er biegsame Zweige in Form brachte. Da Walt jedoch nichts weiter sagte, sah er sich den vor ihm liegenden Bogen genauer an. Dies, wurde ihm nun klar, war etwas anderes als ein gebogener Zweig.
    Der Bogen ähnelte keinem, den Will bisher gesehen hatte. Ein Teil des Bogens folgte einer langen Kurve, doch die beiden Enden waren geschwungen und bogen sich in die entgegengesetzte Richtung zurück. Will war, wie die meisten Bewohner des Königreiches, an den Langbogen gewöhnt – ein langes Stück Holz, das gleichmäßig gekrümmt war. Dieser Bogen hier war viel kürzer.
    »Das ist ein besonderer Bogen, der bei uns nicht bekannt ist«, sagte Walt, der Wills Verblüffung bemerkte. »Du bist noch nicht stark genug, einen richtigen Langbogen zu handhaben, also wird dir die doppelte Krümmung zusätzliche Geschwindigkeit und Kraft geben, mit einem niedrigeren Zuggewicht. Ich habe von den Temujai gelernt, einen solchen Bogen zu machen.«
    »Wer sind die Temujai?«, fragte Will und blickte von dem eigenartigen Bogen auf.
    »Gefährliche Krieger aus dem Osten«, sagte Walt. »Und wahrscheinlich die besten Bogenschützen der Welt.«
    »Ihr habt gegen sie gekämpft?«
    »Gegen sie – und eine Zeit lang auch mit ihnen«, sagte Walt. »Und jetzt hör auf zu fragen.«
    Will blickte wieder auf den Bogen in seiner Hand. Jetzt, da er sich an seine sonderbare Form gewöhnt hatte, sah er, dass es eine wundervoll gearbeitete Waffe war. Die Maserung der geleimten Holzstreifen ergab ein schönes Muster. Die Holzstreifen waren unterschiedlich dick und dadurch kam die doppelte Kurve des Bogens zustande. Vielleicht war dies ja tatsächlich eine Waffe.
    »Darf ich damit schießen?«, fragte er.
    Walt nickte. »Wenn du meinst, dass es eine gute Idee ist, nur zu«, sagte er.
    Schnell wählte Will einen Pfeil aus dem Köcher, der sich neben dem Bogen in dem Bündel befunden hatte, und legte ihn an die Sehne. Er zog Pfeil und Sehne mit Daumen und Zeigefinger zurück, zielte auf einen Baumstamm etwa zwanzig Meter entfernt und schoss den Pfeil ab.
    Ein leises Surren war zu hören.
    Die schwere Bogensehne schlug in das weiche Fleisch auf der Innenseite von Wills Arm und brannte wie ein Peitschenschlag. Will schrie vor Schmerz auf und ließ den Bogen fallen, als wäre er glühend heiß.
    Schon bildete sich ein dicker Striemen auf seinem Arm, der schmerzhaft pochte. Will hatte keine Ahnung, wohin der Pfeil geflogen war, und es war ihm auch völlig egal.
    »Das hat wehgetan!«, sagte er mit einem vorwurfsvollen Blick zum Waldläufer.
    Walt zuckte mit den Schultern. »Du bist immer in Eile, junger Mann. Das mag dich lehren, das nächste Mal etwas vorsichtiger zu sein.«
    Er beugte sich über das Bündel, holte eine lange Manschette aus Leder heraus und zog sie über Wills linken Arm, damit er vor der zurückschnellenden Sehne geschützt war. Zerknirscht bemerkte Will, dass Walt eine ähnliche Manschette trug. Noch zerknirschter fiel ihm ein, dass er das vorher schon bemerkt hatte, aber sich keine Gedanken darüber gemacht hatte, wofür die wohl gut war.
    »Jetzt versuch es noch einmal«, sagte Walt.
    Will wählte einen weiteren Pfeil und legte ihn an die Sehne. Als er sie mitsamt dem Pfeil zurückziehen wollte, hielt Walt ihn zurück.
    »Nicht mit dem Daumen und dem Zeigefinger«, sagte er. »Lass den Pfeil zwischen dem Zeige- und Mittelfinger auf der Sehne ruhen… so.«
    Er zeigte Will, wie die Nocke am Ende des Pfeils ihn an Ort und Stelle hielt. Dann wies er darauf hin, mit welchen Fingergelenken Will die Sehne ziehen musste, während der Zeigefinger genau oberhalb des Nockpunktes lag und die anderen darunter. Zum Schluss führte er Will vor, auf welche Weise er die Sehne loslassen musste, damit der Pfeil wie gewünscht flog.
    »So ist es besser«, lobte er, und als Will die Sehne mit dem Pfeil wieder zurückzog, fuhr er fort: »Versuche deine Rückenmuskulatur einzusetzen, nicht nur deine Arme. Du musst es im Rücken spüren… als ob du deine Schulterblätter zusammenschiebst.«
    Will versuchte es und der Bogen schien sich etwas leichter handhaben zu lassen. Er merkte, dass er ihn ruhiger halten konnte als

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