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Die Runen der Erde - Covenant 07

Die Runen der Erde - Covenant 07

Titel: Die Runen der Erde - Covenant 07 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen R. Donaldson
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Notwendigkeit zur Flucht und brauchte dazu nichts zu sehen. Tatsächlich ging er sogar in Führung, sobald sie freies Gelände erreichten. Von irgendeinem Instinkt geleitet, den sie sich kaum vorstellen konnte, schienen seine Füße trotz der dichten Wolke, aus der es unaufhörlich donnerte, selbstständig einen Fußpfad zu finden und ihm zu folgen.
    Das wollte sie nicht, denn die Haruchai würden die Verfolgung aufnehmen. Sie waren zu mannhaft und mit solchen Kräften zu vertraut, um in der Finsternis, die das Dorf überfallen hatte, zu sterben. Und sie verfügten über Pferde. Jeder Fußpfad musste die Meister rasch auf ihre Spur führen.
    In der Hoffnung, dass sie die richtige Richtung gewählt hatte und wusste, wo sie war, rief sie Anele vor Anstrengung keuchend nach: »Nicht dorthin! Zum Fluss hinunter!«
    Liands Dorf lag am Ostufer des Flusses Mithil. Waren Anele und sie nach Süden unterwegs, konnten sie den Wasserlauf erreichen, indem sie scharf rechts abbogen. Vielleicht konnten sie die Haruchai abschütteln, indem sie den Fluss überschritten oder seinem Ufer folgten. Oder indem sie sich stromabwärts treiben ließen, wie Covenant und Sunder es unter einer Sonne des Regens getan hatten.
    Würde Stave mit dieser Möglichkeit rechnen? Das war nicht auszuschließen. Jedenfalls würde er sie ernstlich in Betracht ziehen müssen. Konnte sie sich im Wasser an Steinhausen Mithil vorbeitreiben lassen und die Weiten der Südlandebenen erreichen, würde sie schwer zu verfolgen sein. Und wenn sie sich lange genug von der Strömung des Mithil tragen ließ, würde er sie zum Südrand von Andelain bringen. Dort konnte sie vielleicht die Toten aufspüren, um sich von ihnen beraten und belehren zu lassen. Möglicherweise bevölkerten diese Schatten jedoch nicht länger die Hügel. Die Meister würden es wissen, aber sie würden auch wissen, dass Linden es nicht wusste. Also würden sie aller Voraussicht nach vermuten, dass Linden dorthin unterwegs war.
    Weil Linden fürchtete, Anele in der schwer auf ihnen lastenden Finsternis zu verlieren, rannte sie vor Anstrengung keuchend hinter ihm her, als er rechtwinklig von dem Fußpfad abbog. Er musste sie trotz seiner geistigen Verwirrung verstanden haben. Und er musste wie sie glauben, dass sie nach Süden flohen.
    Sie konnte kaum ihre Füße sehen, aber ihre Stiefel fanden auf der harten Grasnarbe guten Halt. Schon wenig später schien das Gelände sanft abzufallen, sich vielleicht zum Fluss hinunter zu senken. Einige große Schritte weit lief sie leichter.
    Trotzdem wusste sie bald, dass ihr Fluchtversuch scheitern würde. Sie hatte nicht die Kraft, weit zu rennen. Schon jetzt bekam sie kaum noch Luft. Die schwere Wolke erfüllte ihren Blick mit Finsternis, ließ Phosphene, flimmernde Schemen auf ihrer Netzhaut, vor ihren Augen durcheinanderwirbeln: Dunkelheit sickerte in ihre Augen, als entwiche ihr Lebensblut. Wieder und wieder verlor sie das Gleichgewicht und wäre fast gestürzt, oder der stürmische Wind ließ sie aus dem Tritt kommen. Sie war zu schlimm zugerichtet; hatte zu wenig Erholung gefunden. Ihr Körper forderte nicht nur Stunden, sondern Tage, in denen er heilen konnte. Und sie war nicht auf Strapazen vorbereitet – in den vergangenen zehn Jahren hatte sie nur wenig getan, um sich die körperliche Zähigkeit zu erhalten, die das Ergebnis ihrer Wanderungen mit Thomas Covenant gewesen war. Wäre der Verächter hier und jetzt vor ihr erschienen – und wäre sie imstande gewesen, nur einmal richtig Luft zu holen –, hätte sie sich ohne zu zögern mit letzter Kraft auf ihn gestürzt. Aber sie konnte den Haruchai unmöglich zu Fuß entkommen.
    Gleichwohl rannte Anele so leichtfüßig über das kaum erkennbare Gras vor ihr, als hätte er seine ganze Mattigkeit, jede Spur seiner Sterblichkeit im Gefängnis der Meister zurückgelassen. Von Erdkraft oder Todesangst wie elektrisiert und durch jahrelange Entbehrungen abgehärtet, hängte er sie mühelos ab. Er begann schon außer Sicht zu kommen, schwand dahin wie ein Gespenst im Nebel. Im nächsten Augenblick würde sie ihn ganz aus den Augen verlieren.
    Während er rannte, glaubte sie, ihn meckernd lachen zu hören, als fließe er von verrückter Häme über. Wäre sie imstande gewesen, mehr als Keuchlaute herauszubringen, hätte sie ihn gebeten, langsamer zu laufen.
    Dann sah sie ihn übergangslos einen Augenblick lang völlig klar, und vor ihr blitzte ein Streifen Sonnenlicht auf. Der äußere Rand des Sturms ...?

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