Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition)
Er hatte erwähnt, sich nur bruchstückhaft an das zu erinnern, was der Rossin tat, wenn er von seinem Körper Besitz ergriffen hatte – aber diese Taten waren genug, um ihn mit Schuldgefühlen und Abscheu zu belasten.
Sorcha lehnte sich kurz an die Mauer. Es war inakzeptabel, beide Männer zu verlieren. Zwar hatte sie keine Ahnung, wo ihr Partner war, doch sie spürte das Ziehen des Rossin in sich. Die wilde Freude an Blut und Chaos war eine so berauschende Mischung, dass sie sich zurücknehmen musste, um sich nicht darin zu verlieren.
»Unheilige Knochen«, flüsterte Sorcha, ging in die Hocke und vergrub den Kopf in den Händen. Es hatte sie alle Kraft gekostet, durch so viele Mauern zu gehen und Voishem in größerem Ausmaß zu benutzen als je zuvor. Sie war sich nicht sicher, wie viel Energie sie noch besaß. Ohne Merrick riskierte sie Leben und Verstand, wenn sie die Runen beschwor.
Raed war dort draußen, aber wenn sie einen Schritt auf ihn zu tat, würde sie bestimmt von den Wachen geschnappt. Sorcha biss die Zähne zusammen und empfand etwas sehr Seltsames: eine Mischung aus Panik und Verzweiflung. Doch dahinter wirkte etwas noch Seltsameres: Einsamkeit.
»Was tu ich bloß?«, sagte sie verloren.
Seit sie denken konnte, war sie von Diakonen umgeben gewesen: von Lehrern, Miteingeweihten und ihren Partnern. Noch bevor sie die Runen gemeistert hatte, hatte sie sich als Teil von etwas Größerem gefühlt und gewusst, dass sie, was immer sie tat, da sein würden, um sie aufzufangen.
Nein, dachte Sorcha, ich werde nicht weinen. Das wäre schwach und sinnlos.
Sorcha holte tief Luft, zog eine Zigarre aus der Tasche und zündete sie an, um sich zu konzentrieren. Sie sog den dicken Rauch in den Mund und ließ ihn auf der Zunge kribbeln, während sie so logisch nachdachte wie möglich.
Sie konnte zur Abtei in der Stadt gehen und sich der Gnade ihrer Mitdiakone anheimgeben, doch über dieser Möglichkeit hing Hatipai wie eine dunkle Wolke. Der Prinz selbst hatte gesagt, er könne seinen Diakonen nicht trauen – also musste es dort Korruption geben, von der die Mutterabtei nichts wusste. Es wäre nicht das erste Mal, dachte sie und verzog den Mund. Der Orden, der ihr einst als gewaltiger Fels des Schutzes für das gemeine Volk erschienen war, hatte sich in letzter Zeit als sehr rissig erwiesen.
Seit den Ereignissen in Ulrich war sie hinsichtlich ihrer einstigen Überzeugung von der Heiligkeit des Ordens eines Besseren belehrt. Die Diakone, die Sorcha liebte und an die sie glaubte, hatten sowohl dort als auch in der Hauptstadt Vermillion Schaden genommen. Die chiomesischen Vorposten waren ganz anders als alle, die sie je gesehen hatte – aber die Bindung an Hatipai ließ all ihre Instinkte kribbeln. In letzter Zeit hatte sie sich mehr und mehr auf ihre Instinkte verlassen müssen, aber den Trost, den ihr der Orden früher gestiftet hatte, vermisste sie wirklich. Vor allem in Momenten wie diesem.
Es war jedoch genauso gefährlich, sich der Gnade des Prinzen auszuliefern. Sorcha senkte den Blick und bemerkte, dass Hemd und Arme blutverkrustet waren. Wenn sie etwas anderes tun wollte, als hier zu kauern, musste sie etwas dagegen tun.
Sie grub die Finger in den Sand und schrubbte sich mit einer Handvoll davon ab. So wurde sie zwar den größten Teil des Blutes los, aber auch ziemlich schmutzig. Ihren Umhang konnte sie ohne Weiteres umdrehen, wie sie es – seltsamer Gedanke! – zuletzt bei der Beerdigungsprozession für Erzabt Hastler getan hatte. Kurz danach hatten sie und Merrick den Jungen Prätendenten aus dem Gefängnis befreit.
Raed … Sie schluckte. Dies war ein anderes Problem für sie, das weitere Fluchten und weniger gemeinsame Zeit bedeutete. Aber es war ohnehin nicht so, als könnten sie je ein richtiges Paar sein, sie und der Thronprätendent, den zu beschützen sie geschworen hatte. Doch anscheinend wussten ihre Gefühle nichts davon. Sie war alle Möglichkeiten durchgegangen – und nur er blieb übrig.
Sorcha legte ihre Zigarre ab, schloss die Augen und aktivierte die Verbindung. Diese Verbindung, die sie ohne langes Überlegen hergestellt hatte, ließ ihn unmöglich verloren gehen, solange er sich in derselben Welt befand.
Etwas stimmte nicht. Sorchas Kopf begann zu schmerzen, als sie sich konzentrierte. Jedes Nervenende flammte plötzlich auf, und die Ursache war die Verbindung. Die Diakonin drängte weiter vor, obwohl der Schmerz andauerte. Der Rossin war da, um Raed geschlungen, aber
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