Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition)
hätte sich aber nicht überwinden können, so an ihnen zu handeln, wie sie es an ihren Opfern getan hatten. Während seine Mannschaft die
Süßer Mond
beidrehte, fand Raed den Schlüsselbund am Leichnam des obersten Sklavenhändlers.
Sachte berührte er die Frau an der Schulter. Sie schaute auf, und Tränen überströmten ein angstverzerrtes Gesicht. »Bitte«, flüsterte sie gepresst, »macht es schnell.«
Raed bückte sich und schloss ihre Fesseln auf. »Wir sind Eure Retter, nicht Eure Mörder, Mylady.«
Der Blick, den sie ihm zuwarf, enthielt nicht nur Dankbarkeit, sondern auch eine Menge Zorn – nicht auf ihn, sondern auf eine Welt, in der Menschen wie Vieh verkauft wurden, eine Welt, in der man am Morgen seine Felder bestellte und sich am Abend gefesselt im Bauch eines Sklavenschiffs wiederfand. Abgelegene Inseln wurden von gewissen Fürstentümern wie Farmen behandelt.
Raed wusste nicht, was tun, um diesen Zorn zu dämpfen, und bedeutete ihr nur mit einer Handbewegung, nach vorne zu gehen, wo die Besatzung der
Herrschaft
die Luken aufriss.
Die Sklaven kamen herausgeklettert; sie stanken nach Schweiß, Urin und Entsetzen und waren kaum imstande, sich zu bewegen. Dies war eine kleine Lieferung auf einem Schiff, das sich in Küstennähe halten und Sklaven über die Flusssysteme ins Reich bringen sollte. Sie mussten Wochen in einem Pferch verbracht haben, bevor man sie auf die
Süßer Mond
gebracht hatte.
Aachon schritt auf seinen Kapitän zu und betrachtete schweigend die erbarmungswürdige Szene.
»Bei allem, was wir erleiden, warum auch noch dies?«, murmelte Raed. »Wie konnte ich die Geister für die schlimmste Heimsuchung des Reichs halten?«
Sein erster Maat seufzte. »Es ist keine perfekte Welt, mein Prinz.«
Tangyre wischte ihre Klinge am Mantel eines gefallenen Sklavenhändlers ab und gesellte sich mit angewiderter Miene zu ihnen. »Ich hatte vergessen, dass solcher Abschaum nach Arkaym zurückgekehrt ist.«
Es war nicht die Schuld seiner Freundin, aber Raed wusste, dass in der Einflusssphäre seines Vaters vieles über die Zurückgelassenen in Vergessenheit geraten war. Auf den Kroninseln war es leicht, die Welt jenseits ihrer Gestade zu vergessen. »Leider kann ich die Übel des Reichs nicht heilen, Tang.«
Wie geplant, führten sie die Sklaven – die selbst vor der freundlichsten Hand zurückschreckten – auf die
Herrschaft
hinüber. Aachon stand auf dem Seitendeck und schaute zwischen der Mannschaft und den zehn Männern hin und her, die bei Raed bleiben sollten.
Der Junge Prätendent trat an seinen Freund heran. »Du bringst diese Menschen in ihre Häuser zurück und suchst dann Schutz auf den Inseln jenseits der Bucht der Winde, Aachon. Dort gibt es viele Verstecke, falls der Kaiser beschließt, den Preis auf meinen Kopf zu erhöhen. Wir werden dort nach euch suchen, wenn wir Fraine sicher zurückgeholt haben.«
»Mein Prinz« – der Erste Maat erhob einen letzten Protest – »es ist immer noch Zeit, das zu überdenken.«
Raed verspürte ebenfalls Abschiedsschmerz, aber dies war das einzig Vernünftige. »Du hast geschworen, mich zu beschützen, alter Freund, aber du hast auch eine Pflicht der Mannschaft gegenüber. Ich werde ihr Leben nicht für meines opfern, und ich kann sie nicht alle mit nach Chioma nehmen. Du bist der Einzige, dem ich die
Herrschaft
anvertrauen mag.«
Aachon seufzte. Sie hatten am Vortag lange gestritten, und es hatte eines direkten Befehls von Raed bedurft, damit er endlich gehorchte.
»Sieh mal« – der Junge Prätendent schlug Aachon auf die Schulter – »Tang ist hier, und du warst immer mein Freund, nicht mein Leibwächter – ungeachtet dessen, was mein Vater dir gesagt hat. Du weißt, dass wir die Mannschaft hier draußen nicht im Stich lassen dürfen.«
Der Erste Maat dachte kurz nach und nickte schließlich. »Ich tue dies nur, weil Kapitänin Greene wie ich den Befehl hat, die königliche Blutlinie zu schützen.« Er machte eine kunstvolle höfische Verbeugung. »Vergesst nicht, wer Ihr seid, mein Prinz, und bringt Eure Schwester und Euch selbst sicher zurück.«
Mit diesen Worten ging er auf die
Herrschaft
hinüber und befahl der Mannschaft mit seiner dröhnenden Bassstimme abzulegen. Er stand nicht auf Deck und beobachtete nicht, wie die
Süßer Mond
in die Ferne rückte. Raed lächelte. Nein, das würde sein Freund niemals tun.
Also nahm der Junge Prätendent sich an ihm ein Beispiel, schaute seinem Schiff nicht länger wie ein
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