Die Runen der Macht - Göttliche Rache (German Edition)
religiösen Orden uns helfen könnte …«
Merrick wollte sie gerade korrigieren, als der Boden zu zittern begann und jeden Knochen in seinem Leib wie eine Stimmgabel klappern ließ. Der Tempel über ihnen knarrte und ächzte, die Steinfugen knirschten und ließen Staub und kleine Steine herunterrieseln. Instinktiv warf Merrick sich über Nynnia und schlang seinen Umhang um sie beide, während sie sich wie verängstigte Kinder auf dem Boden zusammenkauerten.
Als das Grollen endlich verklang, fuhr Nynnia hoch. Nicht Furcht, sondern Zorn verzerrte ihr Gesicht. »Es kann nicht mehr lange dauern.«
Die Bilder der umgestürzten Säulen blitzten in Merricks Kopf auf, und er hoffte, nicht mit eigenen Augen sehen zu müssen, wie es dazu gekommen war. Das Schlimmste wäre zu sterben, ohne die Antwort auf die Frage zu kennen, die ihn quälte.
»Was geschieht hier?« Er warf alle Vorsicht über Bord und packte Nynnia an den Armen. »Wer sind die Ehtia, und warum zerstörst du diesen Ort?«
»Ihr wisst es wirklich nicht?« Ihr Lächeln war breit, und der Anflug irrer Freude darin missfiel Merrick.
Der Diakon atmete tief und langsam ein. »Zu meiner Zeit ist dieser Ort begraben und zerstört.« Er fragte sich nicht länger, welche Wirkungen sein Tun hier auf die Zukunft haben könnten – das würde vielleicht nie eine Rolle spielen.
Ein Nachbeben zitterte unter ihren Füßen und ließ den Tempel wieder klagend singen. Nynnia sah auf. Das höllische Gerät, Schleifer von ihr genannt, hatte sein Werk beendet. Es kam knirschend zum Stehen, schaltete um und rutschte von der Spitze der Säule nach unten. »Noch eine letzte Säule. Helft mir mit dem Schleifer.« Sie packte Merrick am Arm.
Es war vollkommen verrückt. Diese Welt war nicht seine, und selbst wenn sie es gewesen wäre, ginge sie unter. Nichts davon spielte eine Rolle. Die Frau, in die er sich verliebt hatte, war ihm wieder nah. Also beugte Merrick sich vor und küsste sie.
Nynnia zuckte ein wenig zusammen, bevor sie den Kuss mit einer Inbrunst erwiderte, an die er sich mühelos erinnern konnte. Ihre Lippen waren süß, und mit geschlossenen Augen konnte Merrick keinen Unterschied zwischen dieser Nynnia und seiner jüngeren Nynnia erkennen.
Als sie sich zurückzog, umfasste sie sein Gesicht und streichelte die Linie seines Kinns traurig, beinahe nachdenklich. »Wir sind die Ehtia – und dies ist alles unsere Schuld.« Sie führte ihn zu der Maschine, und er war fasziniert von den komplizierten Zahnrädern und Getrieben, die sichtbar wurden, als sie sie von der Säule wegzog.
»Eure Schuld?«, fragte er, nahm eine Seite der Maschine und hob sie an. Gemeinsam schleppten sie sie zu der einzigen Säule in der verlassenen Halle, die noch ihre Reliefs besaß.
Nynnia richtete das muschelartige Gerät aus, bis es sich mit einem scharfen Knacken um den Stein schloss. »Es gibt einen guten Grund, warum wir diesen Ort zerstören. Wir sind zu weit gegangen.«
Die Erde grollte erneut wie ein Kontrapunkt zu ihrer Bemerkung.
Merricks Mund war trocken. »Was … was meinst du damit?«
»Die Anderwelt kommt.« Nynnias Finger tanzten über das komplizierte Bedienfeld, das in den Schleifer eingelassen war. »Wir dachten, wir wüssten es besser. Wir konnten gehen, wohin wir wollten, uns all diese Macht zunutze machen. Wir dachten, Wehrsteine seien harmlos …«
»Du meinst, die Ehtia sind für all dies verantwortlich?« Der junge Diakon trat einen Schritt zurück und ballte die Fäuste.
Das sah sie nicht, denn sie war zu beschäftigt mit der Maschine. Sie sprach lässig über eine Schulter. »Zu unserer Schande – ja, aber wir werden dafür bezahlen.« Sie richtete sich auf und bedachte ihn mit einem Blick, der von einer seltsamen Mischung aus Furcht und Stolz erfüllt war. »Die Ehtia werden bald dafür zahlen. Ihr seid rechtzeitig gekommen, um es zu erleben. Es tut mir sehr, sehr leid.«
»Ich habe sehr wenig Zeit.« Der Prinz von Chioma ging zum Fenster. »Und wenn wir zu lange brauchen, werden die Leute anfangen, sich Gedanken zu machen.«
Raed verkniff sich ein sarkastisches Schnauben. Die Last der Herrschaft war etwas, wofür er geboren worden war, ohne sie je erlebt zu haben. Auch seine Schwester war dafür bestimmt gewesen. Dieser Gedanke bewegte ihn zum Handeln. Etwas ging hier in der Bienenkorbstadt vor, und Fraine könnte gut in die Sache hineingeraten sein. Außerdem hatte Raed genug vom Herumeiern des Prinzen.
»Seid Ihr zu beschäftigt, als dass Ihr Euch um
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