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Die russische Herzogin

Titel: Die russische Herzogin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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dieses stoisch hinnahm. Noch immer wütend, aber auch eine Spur erleichtert, die Ursache für Klein-Egis Weinerlichkeit gefunden zu haben, befahl Wera der jungen Frau dann, sich auf die Suche nach einer Heilsalbe für die Haut ihres Sohnes zu machen. Das Kindermädchen tat wie ihm geheißen. Kurze Zeit später war Klein-Egi dick mit einer weißen Salbe beschmiert, und der Reisetross konnte die Fahrt fortsetzen.
    Wie das badische Karlsruhe, so war einst auch das schlesische Bad Carlsruhe strahlenförmig angelegt worden. Im Mittelpunkt befand sich das Schloss der Herzöge von Württemberg, es lag in einem prachtvollen Landschaftsgarten englischer Art, der von breiten Lindenalleen durchzogen wurde. Jetzt im Frühherbst standen die Bäume wie in flüssiges Gold getaucht da, und die Wiesen leuchteten dank eines regenreichen Sommers noch immer sattgrün. Innerhalb des Parks erhoben sich kleine Hügel, es gab mehrere große, fischreiche Teiche und sogar ein paar Weinberge – alles zusammen mutete in der ansonsten eher eintönigen Ebene des Umlandes sowohl pittoresk als auch fremdartig an. Der Ort selbst konnte mit hübschen Geschäften, einer Leihbibliothek und einem kleinen Theater aufwarten und auch ein Kurbad gab es in Bad Carlsruhe. In diesem ging es zwar nicht ganz so weltmännisch zu wie in Bad Ems oder in Baden-Baden, dennoch gab es genügend Stammgäste, die Jahr für Jahr – vor allem während der Jagdsaison – hierherkamen. Dass Herzog Wilhelm Eugen von Württemberg samt Gattin ebenfallsim Kurort weilte, sprach sich in dem kleinen Ort schnell herum. Unter den angereisten Adligen war die Freude groß, denn wie sein Vorgänger war auch der junge Herzog als Lebemann bekannt, so dass man mit einer Saison fröhlicher Festivitäten statt gepflegter Langeweile rechnen konnte.
    »Weißt du eigentlich, dass mein lieber Eugen auch Gedichte geschrieben hat? Genau wie du konnte er ganz wunderbar mit Worten umgehen«, sagte Mathilde, die Witwe des Herzogs, unvermittelt zu Wera.
    »Ach wirklich?«, antwortete diese ohne größeres Interesse.
    Es war elf Uhr am Vormittag, und wie so oft saßen die junge und die alte Herzogin im Salon zusammen. Der Duft von Sauerbraten durchzog das gesamte Erdgeschoss des Schlosses und sorgte dafür, dass Wera schon wieder Hunger bekam. Dabei hatte sie vor nicht einmal drei Stunden ihr Morgenmahl eingenommen!
    Liebevoll streichelte die Witwe das Miniaturporträt ihres Mannes, das sie auf dem Schoß hielt.
    »Ein paar Gedichte habe ich sogar mit kleinen Tuschezeichnungen illustriert.«
    Während Wera versuchte, ein aufmerksames Gesicht zu machen, lauschte sie mit einem Ohr in Richtung Kinderzimmer. Erklang da nicht schon wieder Egis Weinen? Am Morgen, als sie ihn aufgesucht hatte, fand sie ihren Sohn mit geröteten Wangen und warmer Stirn vor. Wäre es nach ihr gegangen, hätte sie sofort einen Arzt rufen lassen, doch sowohl ihre Schwiegermutter als auch ihre Hofdame Clothilde rieten zum Abwarten. Ein bisschen erhöhte Temperatur sei bei Säuglingen nichts Ungewöhnliches. Solange Klein-Egi so gierig seine Flasche leer nuckelte, bräuchte man sich wegen des Fiebers keine Sorgen zu machen. Die Gelassenheit der älteren Frauen hatte Wera ein wenig beruhigt. Dennoch, gleich nach dem Mittagessen würde sie wieder bei ihm vorbeischauen, beschloss Wera und sagte:
    »Es ist so schade, dass ich deinen Mann nur so kurz kennenlernen durfte.«
    Derviel zu frühe Tod von Eugens Vater im Frühjahr war für sie alle ein Schock gewesen. Im kommenden Dezember wäre er gerade einmal fünfundfünfzig Jahre alt geworden. Laut Eugen war sein Vater äußerst vital gewesen, bevor Gevatter Tod ihn so plötzlich zu sich holte.
    »Gedichte sagen viel über den Menschen aus, der sie verfasst hat. Vielleicht ist es mir ja vergönnt, unseren lieben Verstorbenen durch die Lyrik besser kennenzulernen?«
    Mathilde strahlte. »Was für eine gute Idee! Es gibt eine Kladde, in der mein lieber Mann seine Werke aufbewahrt hat, ich werde sofort –« Sie brach ab, als die Tür aufging und Eugen jungenhaft charmant ins Zimmer stürmte.
    »Eugen …« Ihr schöner Mann! Sofort war Wera bei ihm, küsste ihn zärtlich auf beide Wangen.
    Er schob sie sacht von sich und sagte: »Täusche ich mich oder trägst du schon wieder dasselbe Kleid wie gestern und vorgestern? Fast könnte man meinen, du hast kein anderes.«
    Wera lachte verlegen auf. »Tatsächlich … Ich sollte mir wirklich mehr Mühe mit meiner Garderobe geben.« Wozu?,

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