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Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)

Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)

Titel: Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Spielberg
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eigentlich wollte.
    »Ich hatte deinem Mann ein paar Medizinbücher für seinen Vortrag neulich geborgt. Die hat er bestimmt nicht in die USA mitgenommen. Weißt du, wo die sein könnten?«
    »Du siehst das Chaos hier. Aber wir können in seinem Arbeitszimmer nachschauen.«
    Das Arbeitszimmer war ziemlich aufgeräumt, und wir hatten meine Bücher bald gefunden. Astrid brachte mich zur Tür. Sie schien nicht besonders traurig, mich zu verabschieden. Ich startete noch einen Versuch.
    »Trotzdem, in Ordnung finde ich das nicht von Klaus, dich hier Knall auf Fall mit der ganzen Arbeit allein zu lassen. Ein paar Tage hätte er doch sicher noch gehabt.«
    Astrid antwortete nicht, schweigend standen wir einen Moment in der offenen Wohnungstür.
    »Wirst du uns Schwierigkeiten machen, Felix?«
    »Wie kommst du darauf?«
    »Klaus hat mir erzählt, daß ihr neulich Streit hattet. Bist du neidisch, daß er nach Amerika fährt?«
    »Bin ich nicht, Astrid. Und ich bin auch nicht gekommen, um Klaus irgendwelche Schwierigkeiten zu machen. Ich wollte mich nur von ihm verabschieden.«
    »Es ist nett. Ich werde nachher mit ihm telefonieren und ihn von dir grüßen.«
    »Ja, tu das bitte. Und vielen Dank für die Cola.«
    Ich war schon fast auf der Treppe, als Astrid mir noch nachrief.
    »Felix, du solltest nicht vergessen, das es ein Unterschied ist, ob man ein Single mit unkündbarem Vertrag ist oder ein junger Arzt mit Familie und einem Zeitvertrag.«
    »Nein, das ist mir klar. Gute Nacht, Astrid.«
    Sie schloß die Tür, hinter ihr hatte Schreiber junior angefangen zu schreien.

6
    Mein Fahrradausflug Zehlendorf-Lichterfelde-Zehlendorf hatte mich nicht viel schlauer gemacht, aber tatsächlich für einen guten Nachtschlaf gesorgt. Wirklich erholt fühlte ich mich allerdings nicht, und auf der morgendlichen Bettenkonferenz folgte ich den Kurzberichten aus den verschiedenen Nachtdiensten mit nur mühsam unterdrücktem Gähnen.
    Es ist erstaunlich, wie schnell sich die menschliche Natur mit neuen Gegebenheiten abfindet. Sonst würden Kriege höchstens drei Tage dauern, die meisten Ehen nicht viel länger. Die Kollegen machten schon wieder Scherze, der spontane Bummelstreik von gestern war bereits beendet, und nach der Konferenz eilten alle ohne Umweg über die Cafeteria auf ihre Station.
    Gegen Mittag wollte ich mich persönlich nach der alten Akte von Mischa im Patientenarchiv erkundigen. Wie ich eigentlich hätte wissen müssen, erwarteten mich dort eine fast sakrale Stille und das Schild »Mittagspause«. Bei meinem nächsten Besuch störte ich die Mitarbeiter im Patientenarchiv zwar bei Kaffee und Kuchen, aber immerhin, sie waren da.
    »Ach ja, die Akte von dem Russen. Genug Anforderungsscheine haben Sie uns ja geschickt. Einer hätte gereicht, wissen Sie.«
    Mit Mühe verzichtete ich auf einen Kommentar.
    »Schön. Kann ich die Akte nun haben?«
    »Also die, die ist hier nicht zu finden. Ist es wichtig?«
    Trotz Sparmaßnahmen gibt es auch für das Patientenarchiv einen Chef, beziehungsweise eine Chefin. »Frau Tönnig, Leiterin Patientenarchiv« steht auf der Tür. Ich ging hinein, ohne anzuklopfen.
    Frau Tönnig hatte ihrer vorwiegend sitzenden Tätigkeit in Form von mindestens hundert Kilo Tribut gezollt. Und sie arbeitete weiter daran, im Gegensatz zu ihren Mitarbeitern hatte sie ihr Stück Sahnetorte schon komplett vertilgt.
    »Ja, bitte, Sie wünschen?«
    »Ich warte seit fünf Tagen auf eine Patientenakte aus Ihrem Archiv. Heute wird mir mitgeteilt, sie sei verschwunden.«
    »Bei mir verschwinden keine Akten, Herr Doktor.«
    »Jedenfalls sagen Ihre Mitarbeiter, die Akte sei nicht zu finden.«
    »Dann haben wir sie auch nicht. Ich erlebe das doch ständig. Sie machen uns die Hölle heiß, und wir suchen Tag und Nacht. Und wo ist die Akte zum Schluß? Bei Ihnen auf Station. Irgendwo verkramt in einem Ihrer Schränke oder ganz unten in Ihrem Schreibtisch. Oder einer Ihrer Kollegen hat sie mit nach Hause genommen, wegen eines Gutachtens oder so.«
    Selbstverständlich war dies nicht die erste unauffindbare Akte in unserer Klinik, und sicher auch nicht die erste solche Diskussion für Frau Tönnig.
    »Wie war denn das vor zwei Jahren, als dieser Kollege von Ihnen aus der Neurologie gekündigt hatte? Wie viele unerledigte Akten hat man damals in seinem Schrank gefunden?«
    Die Rede war von über zweihundert gewesen, aber ich fuhr unbeirrt fort.
    »Ich bin sicher, daß ich die Akte ordentlich abgeschlossen und zu Ihnen

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