Die russische Spende (Stationsarzt Dr. Felix Hoffmann) (German Edition)
wegen illegalen Arbeitern so einen Aufstand machen. Und außerdem, die Akte, dein Totenschein und das Notarztwagenprotokoll sind in der Klinik verschwunden, Felix, nicht bei dieser Reinigungsfirma. Ich sage es dir: Es geht um Geld, und der Schlüssel liegt in deiner Klinik.«
»Und wo in der Klinik soll ich nach diesem Schlüssel und dem Geld suchen?«
Ich war noch nicht überzeugt, aber Celine hatte sich für ihre Idee erwärmt.
»Habe ich doch gesagt. Geld liegt heute nicht mehr irgendwo in fetten Bündeln herum, aber es hinterläßt trotzdem Spuren. Wir müssen an die Buchhaltung deiner Klinik. Wenn wir uns ein bißchen Mühe geben, werden wir da das Geld finden. Da wette ich deinen Hintern drauf.«
Celine hatte ihren Kampfblick in den Augen, den kenne ich gut. Falls wirklich jemand in der Klinik krumme Geschäfte machen sollte, hatte er jetzt einen ziemlich hartnäckigen Gegner. Und außerdem gab es auch noch mich. Doch Celine kann im Gegensatz zu mir mit ihren Kräften haushalten, der Kampfblick verschwand so schnell, wie er gekommen war. Sie rollte sich auf die Seite und war binnen Minuten wieder eingeschlafen. Beneidenswert. Warum, allerdings, wollte sie meinen Hintern verwetten und nicht ihren? War sie sich doch nicht so sicher?
Während ich verzweifelt auf den Sandmann wartete, fiel mir mein trunkenes Gespräch mit Torsten Römer im Spreewald ein. Er hatte recht, meine Klinik war jetzt ein profitorientiertes Privatunternehmen. Deshalb war Celines Idee folgerichtig. Es könnte nichts schaden, sich die Buchhaltung dieses Unternehmens einmal anzuschauen. Aber dazu würden wir Hilfe brauchen, komme ich doch kaum mit meiner Steuererklärung klar. Das war das zweite Problem. Erst einmal mußten wir an die Unterlagen aus der Klinikbuchhaltung herankommen.
Beim schnellen Stehfrühstück am Morgen machten wir entsprechende Pläne. Plan A war relativ einfach, und Plan B hatten wir noch nicht. Plan A sah vor, über das Computernetz der Klinik in den Buchhaltungscomputer einzudringen. Unser Computernetz ist ein Lieblingsspielzeug von Professor Dohmke und manchmal ganz praktisch. Es gibt in jedem Arztzimmer einen Terminal, und über den bekomme ich die aktuellen Labordaten oder Untersuchungsberichte von meinen Patienten. Sofern das System gerade funktioniert.
Ich wußte, daß mit einem Paßwort zum Beispiel auch die Belegungsstatistik aus dem Computernetz abrufbar war. Früher konnte der Stationsarzt schummeln und aus taktischen Gründen ein oder zwei freie Betten unterschlagen. Seit über einem Jahr jedoch wußte Professor Dohmke bei jeder Morgenkonferenz präzise über die aktuelle Bettenbelegung Bescheid.
Unser Plan A ging von der Annahme aus, daß über die Erfassung der Bettenbelegung und die Erfassung der am Patienten erbrachten Leistungen eine direkte Verbindung zur Abrechnung der Patienten besteht und über diese Patientenabrechnung wiederum eine Verbindung zur Gesamtbuchhaltung.
Gleich am Montag nachmittag kam Celine in die Klinik und setzte sich vor den Terminal in meinem Arztzimmer. Endlich sollte sich ihr Mathematikstudium über ihre Halbtags-Lehrerinnenstelle hinaus nützlich machen.
»Wie ist dein Codewort?«
»Celine.«
»Ja, was ist? Du mußt mir schon dein Paßwort sagen, damit ich in das System hineinkomme!«
»Sag ich doch. Es ist Celine.«
Celine lächelte. Sie konnte nicht wissen, daß ich erst heute mittag mein Paßwort geändert hatte. Vielleicht würde es sie freuen. Tat es.
Celine konnte zwar mit meiner Zugriffsberechtigung nicht nur Labordaten, Röntgenbefunde oder OP-Berichte abrufen, sondern auch die aktuelle Belegung meiner Station und die einbestellten Patienten für die nächsten acht Wochen, aber schon für die Belegungsdaten von der Chirurgie meldete der Bildschirm »keine Zugriffsberechtigung«. Ich sah schwarz für unseren Plan.
»Wenn wir noch nicht einmal die Daten von den anderen Stationen abrufen können, werden wir kaum an die Buchhaltung kommen.«
»Zugriffsberechtigung in einem Computernetz bedeutet Macht, mein Lieber. Und wenn ihr simplen Stationsärzte dieselbe Zugriffsberechtigung hättet wie zum Beispiel euer geliebter Professor Dohmke, hättet ihr auch dieselbe Macht wie er. Das habt ihr aber nicht, und das will der auch nicht. Es ist wie die soziale Organisation einer Orang-Utan-Herde. Es gibt den Chef, der ist das Alpha-Tier. Und dann gibt es die Beta-Tiere und die Gamma-Tiere. So sind auch diese Netze organisiert. Ihr Stationsärzte habt bestimmt nur
Weitere Kostenlose Bücher