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Die Saat der Finsternis (German Edition)

Die Saat der Finsternis (German Edition)

Titel: Die Saat der Finsternis (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Gernt
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Lustsklaven in Erinnerung halten – der schmerzende Kopf war dafür ein geringer Preis.
    „Ere… ich meine, Lys“, begann Orchym verlegen, als sie gemeinsam im Korb standen. „Ich habe dich noch nicht um Verzeihung gebeten dafür, dass ich dich beinahe …“ Er wagte es nicht, ihn anzusehen.
    „Das sollst du auch gar nicht“, murmelte Lys angespannt. Er war zu sehr in Sorge, was Mattin und die anderen Wächter alles für Dummheiten begehen könnten in der langen Zeit, bis alle Arbeiter unten angekommen waren. „Du wolltest einen Freund beschützen. Niemand könnte dafür mehr Verständnis haben als ich.“
    „Komm, hm, hier entlang, dann schauen wir mal, ob du den Notaufstieg für die Kinder nehmen kannst.“
    Lys schrie innerlich über diese Selbstverständlichkeit, mit der jeder hinnahm, dass alle Erwachsenen hier unten verloren waren, wenn ein Unglück geschah. Einfach nur, weil man verhindern wollte, dass Sklaven unbemerkt nach oben an die Oberfläche stiegen und über die zahlenmäßig unterlegenen Wächter herfielen. Genau darauf beruhte aber sein Ausweichplan. Niemand würde damit rechnen, dass er nach oben klettern könnte, ohne vorher die Glocke anzuschlagen und sich mit dem Korb hinaufziehen zu lassen.
    Der Spalt war jämmerlich eng, Lys musste sich gewaltsam hindurchquetschen. Hätte er nicht in letzter Zeit so viel Gewicht verloren, wäre es unmöglich gewesen.
    „Selbst die Vierzehnjährigen müssen hier doch schon Probleme haben“, murrte er, als er durch war und sich die blutigen Schürfwunden an Armen und Beinen ansah.
    „Wer zu massig ist, hier durchzupassen, gilt als stark genug, die Wächter anzugreifen und hat kein Anrecht mehr auf diesen Fluchtweg“, sagte Orchym vom Tunnel aus und zuckte achtlos die Schultern.
    „Gib mir den Stock“, bat Lys und nahm den abgesplitterten Griff einer Arbeitshacke in Empfang, um ihn im Gürtel zu verstauen. „Denkt daran, dass ihr so rasch wie möglich nach oben geht und den Wächtern unbedingt helfen müsst! Wartet nicht zu lange damit, Alarm zu schlagen, nur so könnt ihr Pocil beschwichtigen.“
    „Keine Sorge, Lustknabe “, knurrte Orchym, lächelte allerdings dabei. „Wir wollen euch helfen, es wäre das erste Mal überhaupt, dass eine Sklavenflucht gelingt … aber wir wollen auch überleben. Pass mir auf Lamár auf, ja? Er ist so unbeherrscht, weil er sich an nichts erinnert. Und er wird mir fehlen, sag ihm das.“
    „Er ist von Natur aus unbeherrscht“, murmelte Lys und begann, den Baumstamm hochzusteigen, in den man Stufen hineingefräst hatte. „Du wirst ihm sicherlich ebenfalls fehlen, Orchym.“
    „Lys? Bist du wirklich ein Fürst?“, rief Orchym ihm unterdrückt nach. Lys blickte durch den Spalt, wo er das Gesicht des Mannes gerade noch erkennen konnte und schenkte ihm ein kühles Lächeln – es war Antwort genug. Dann stieg er nach oben, ohne sich noch einmal umzusehen.
     
    Er musste sich durch Unkraut den Weg bahnen, das den wenig genutzten Aufstieg überwuchert hatte. Alles war still, was Lys sehr beruhigte. Vorsichtig blinzelte er durch Gras und Wildranken und fand sich in unmittelbarer Nähe der Hütte, die die Aufseher benutzten, um sich auszuruhen, während sie darauf warteten, dass der Tag endlich vorbeiging. Was er hier sah, hätte ihn beinahe aus der Deckung springen lassen: Kirian kauerte am Boden, umgeben von den Wächtern, die ihn verhöhnten und nach ihm traten. Er hielt sich krampfhaft still und wehrte sich nicht, da die Sklaven weiterhin mit dem Abstieg in die Mine beschäftigt waren. Sein Glück dabei war, dass die Wächter möglichst lange Spaß mit ihm haben wollten und ihn deshalb nicht ernstlich verletzten.
    Als Lys noch auf die viel zu lange Wartereihe starrte, bemerkte er einige Jugendliche, die ausscherten, dabei die Wächter nicht einen Moment aus den Augen ließen, und über die Seiteneinstiege verschwanden. Kaum waren sie verschwunden, rannte die nächste Gruppe los – alle, die schmal genug waren, diese Schächte zu benutzen. Dadurch war es plötzlich kaum ein halbes Dutzend Arbeiter, die den Transportkorb nehmen mussten. Lys dankte ihnen innerlich, sie schenkten dadurch ihm und Kirian wertvolle Zeit.
    Als der Baumstamm unter seinen Füßen zu schwanken begann, unterdrückte er gerade noch einen Schreckensruf. Er hatte den Tunneleinsturz längst nicht überwunden und war insgeheim heilfroh gewesen, sich nur kurz unter Tage aufhalten zu müssen. Es war zum Glück kein Erdbeben, sondern einer der

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