Die Sache mit dem Ich
zu sein, hat sie schon oft gesagt.
Ich gehe in die Offensive, das ist meine einzige Chance.
»Frau Lopez, ich würde gern über Ihren Hintern reden«, sage ich und atme tief durch, als die Frage formuliert ist. Weil ich weiß, dass der Satz seltsam klingt, hake ich sofort nach, während ich versuche, eine kleine Colaflasche aufzubekommen.
»Als Trägerin eines Hinterns, der die Welt begeistert, wissen Sie genauso gut wie ich, dass Ihnen dieser Hintern Macht verleiht. Wie benutzen Sie diese Macht, Frau Lopez – zum Guten oder zum Bösen?«
Frau Lopez ist sehr verstört.
»Ich verstehe Sie nicht«, sagt sie.
»Gut, andersrum«, sage ich. »Glauben Sie, dass Marilyn Monroe erfolgreich war, weil sie so eine gute Schauspielerin war, oder wegen ihres Hinterns?«
Jetzt habe ich sie, glaube ich.
»Ich weiß nicht, worauf Sie hinauswollen«, antwortet Frau Lopez.»Was stört Sie an meinem Hintern oder an dem von Marilyn Monroe?«
»Nichts, im Gegenteil: Ich bewundere diese Hintern, möchte dieses Phänomen aber kritisch hinterfragen.«
»Entschuldigung, aber ich möchte mich nicht über meinen Hintern unterhalten«, sagt Frau Lopez, und es klingt wie ein Todesurteil. »Fragen Sie mich bitte etwas anderes.«
Gutgut, nicht so schlimm, dann muss ich umdenken, kein Problem.
»Frau Lopez, stimmt es, dass Sie den deutschen Studenten Karl Boehringer entführt und mit fünf Lederanzügen von Calvin Klein zum Sex gezwungen haben?«
»Wie bitte? Woher haben Sie diese Information?«
»Aus einer verlässlichen Quelle«, sage ich, und füge etwas ernster hinzu: »Sie selbst haben sich zu diesem Thema mehrfach geäußert.«
»Nichts davon ist wahr«, sagt Lopez. »Wenn ich mir Lederanzüge kaufe, dann kaufe ich sie für mich selbst.«
»Sie geben also nicht zu, den Studenten Karl Boeh...?«
»Nein!«, schreit Lopez mich an.
Ich muss an die Todesliste denken.
»Frau Lopez, erzählen Sie mir bitte von Ihrer Todesliste!«
»Dazu sage ich nichts!«, schüttelt Lopez ihren Kopf.
»Aber Frau Lopez!«, beschwere ich mich.
»Wer sind Sie eigentlich, für wen arbeiten Sie?«, fragt Lopez und sieht mich an.
Jetzt muss ich wirklich sehr aufpassen. Ich muss sie ablenken, sonst komme ich auf die Todesliste, da hilft nur eins: irgendetwas sagen, was sie wirklich verstört.
»Frau Lopez, ist es wahr, dass sie acht Jahre lang als Spionin für den kubanischen Geheimdienst gearbeitet haben?«
Lopez springt auf, ihr Hintern hüpft, ihre Stimme bebt.
»Was wollen Sie eigentlich von mir?«, ruft sie. »Und woher haben Sie diese Information?«
»Aus den, ähm, Akten der ostdeutschen Regierung«, rufe ich, eine Lüge natürlich, aber ich muss mich verteidigen.
»Nichts davon ist wahr. So etwas ist mir noch nie passiert! Sind Sie wahnsinnig?«
Sie setzt sich wieder, das ist gut, aber nicht gut ist, dass ich jetzt nicht mehr weiß, worüber ich mit Lopez reden soll. Über die Platte mit langweiliger Latin-Musik, die sie aufgenommen hat? Über George Clooney, ihren Partner in »Out Of Sight«?
»Frau Lopez, George Clooney hat gesa...«
»Ich rede nicht über George Clooney«, sagt Frau Lopez, trotzig jetzt.
Wir schweigen uns an, in meinem Kopf ist ein Durcheinander aus großen Hintern, kubanischen Agenten, Todeslisten, Lederanzügen, engen Kleidern und Medizinbällen. George Clooney spielt mit einem dieser Medizinbälle, er versucht, den Ball in einen Basketballkorb zu werfen, aber der Ball passt nicht in den Korb, weil er viel zu groß ist.
»Ich kann nicht mehr«, sage ich dann zu Frau Lopez, stehe auf und gehe, doch sie weigert sich, mir in die Augen zu gucken.
Das Letzte, was ich sehe, als ich den Raum verlasse, ist dieser unglaubliche Hintern, der mir keine Antworten geben wollte. Dieser unglaubliche Hintern, der mich einfach auflaufen ließ, weil er die Weisheit, die in ihm steckt, für sich selbst behalten wollte. Wieder ein ungelöstes Rätsel mehr, an dem wir alle scheitern, denke ich, und dass es vielleicht klüger ist, Frau Lopez beim nächsten Mal zu sagen, sie hätte ganz fantastische Augen – tiefe, unergründliche, hervorragende Augen!
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Die Sache mit Michael Stipe
Ich will Sie hier nicht mit Branchengeschwätz nerven, aber unter Mietreportern meines Typs kursiert seit Jahren eine Liste mit Prominenten, die sich kaum ein Mensch freiwillig zum Interview aussuchen würde – zu anstrengend, banal, aussichtslos. Von unten nach oben raufgezählt geht die Rangliste so: Platz 4 Hannelore Elsner (sagt nur
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