Die Sache mit Jo und Mo (German Edition)
tot.“ Er hielt den Kopf gesenkt, nahm Jos Gegenwart offenbar gar nicht mehr wahr. Seine schmalen Schultern bebten und Jo spürte den instinktiven Wunsch, ihn in den Arm zu nehmen. Unaufhaltsam lösten sich Tränen und rannen Monty langsam über die Wange.
„Wohnst du deshalb jetzt bei deinem Vater?“, fragte Jo weiter nach und seufzte mitfühlend: „Das muss hart sein.“
Urplötzlich flog Montys Kopf hoch. Er wischte sich zornig die Tränen ab.
„Verschwinde einfach“, fauchte er, bemüht seine zitternde Stimme zu kontrollieren. „Hau einfach ab und lass mich endgültig in Ruhe. Du hast doch gar keine Ahnung von meinen Problemen.“ Er schwang sich auf sein Fahrrad und radelte davon, ließ einen betroffenen Jo zurück.
6 Augenscheinlich
Der Anblick der schmerzerfüllten Augen hielt Jo tatsächlich mehrere Tage davon ab, sich Monty abermals zu nähern. Sein Gewissen schien doch ganz gut zu funktionieren, denn er fühlte sich schuldig, den anderen Jungen derart bedrängt zu haben. Deshalb suchte er auch nicht nach ihm.
Stattdessen grübelte er nach der Schule über alles nach, was er von Monty bislang wusste. Der andere Junge beschäftigte ihn mehr, als je eine seiner Eroberungen zuvor und das lag nicht nur daran, dass er bislang bei ihm noch nicht hatte landen können.
Sowohl Sven, als auch der Rest der Clique ließen ihn mit weiteren Bemerkungen über den „Zigeunerjungen“ zufrieden. Es gab auch genügend spannende Themen: welcher Star mit wem gesehen worden war, oder welcher Club gerade „in“ war, oder die große Party am Wochenende.
Jos Vater und seine Mutter hatten sich am Abend gemeldet und ihm mitgeteilt, sie würden noch zwei Wochen in Dubai verbringen. Sie hatten ihn zum Wochenende eingeladen, aber er schob eine Party mit Freunden vor. Seine Eltern waren nie viel zuhause, was Jo im Grunde ganz recht war.
Am Freitagabend trieb sich Jo lustlos auf Eddys Party herum, wies mehrfach Mädchen und auch zwei Jungen ab, die ihn nur zu gerne auf andere Gedanken gebracht hätten. Er war nicht in Stimmung. Stattdessen sprach er dem Alkohol reichlich zu, bekam dennoch das Bild dunkler Augen nicht aus dem Kopf.
Samstag stand er erst gegen Nachmittag auf, um sich etwas gegen seine Kopfschmerzen zu holen und verschwand gleich wieder im Bett. Am Abend ließ er sich etwas zu Essen kommen und saß bis spät in die Nacht vor dem Fernseher. Den Sonntag verbrachte er überwiegend vor dem Fernseher oder dem PC.
Aber schon Montag hielt er seine selbst gewählte Abstinenz nicht mehr aus. Er fand Monty in der zweiten Pause in der Bibliothek und setzte sich wortlos zu ihm. Monty sah auf, als er hinzukam, sagte ebenfalls kein Wort und verschwand sofort wieder hinter seinem Buch, welches er wie einen Schutzschild hoch hob. Jo wusste nicht recht, was er sagen sollte, denn dieses Mal wollte er Monty weder kränken, noch in die Flucht schlagen. Also begnügte er sich damit, einfach bei ihm zu sitzen.
Ein neuer Titel, bemerkte Jo. Abermals ein Fantasy Roman. Abwechselnd betrachtete er das Titelbild mit dem feuerspeienden Drachen und musterte die Struktur der schwarzen Haare, das einzige, was über das Buch hinweg von Monty zu sehen war.
Nach einer Weile blickte dieser hoch, begegnete Jos Blick und vertiefte sich sofort wieder in den Text. Weitere Male hob Monty kurz den Blick, nur um sich gleich darauf wieder hinter seiner Lektüre zu verstecken. Plötzlich senkte er mit einem genervten Schnauben das Buch und blickte Jo direkt an.
„Was ist?“ Montys Stimme war aggressiv. „Was war an den Worten: Lass mich in Ruhe, denn falsch zu verstehen?“ Jo schmunzelte. So mochte er den Kleinen einfach.
„Habe ich wohl irgendwie überhört“, erklärte er lächelnd. Monty schnaubte abermals. Ein vertrautes Geräusch, welches Jo mittlerweile sehr sympathisch fand.
„Ich habe es auch nur ungefähr einhundert Mal wiederholt.“ Monty verdrehte die Augen. „Was ist nur mit dir los, dass du dich mit jemandem wie mir abgeben musst?“
„Du bist interessant“, gab Jo unumwunden zu. „Und augenscheinlich voller Geheimnisse. Das mag ich.“
„Ich habe keine Geheimnisse“, verneinte Monty rasch und schaute Jo abschätzend an. „Außerdem weißt du doch schon alles über mich.“
„Nein, weiß ich eben nicht“, gestand Jo. „Eigentlich weiß ich nur ganz wenig über dich und das würde ich gerne ändern, Mo.“
„Finde es doch selbst raus“, gab Monty patzig zurück und verschwand hinter seinem Buch.
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