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Die Saeulen der Macht

Die Saeulen der Macht

Titel: Die Saeulen der Macht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maja Winter
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er tun musste, um die Tür zu öffnen.
    Entschlossen legte er seine verletzte rechte Hand an das schwarz schimmernde Holz, und lautlos schwang die Tür auf.
    Zuerst konnte er gar nichts erkennen, nichts hören, nichts fühlen; es war, als wäre er mit einem Schlag blind, taub und gelähmt geworden. Allmählich schälten sich flackernde Schatten aus der Dunkelheit. Winzige Flammen tanzten durch die Luft. An seine Ohren drang eine Kakophonie gedämpfter Stimmen, die er erst nach einer Weile auseinanderhalten konnte– das endlose Gemurmel der Mönche in der vordersten Halle, das Lautenlied der Tänzerinnen, der Chor der Schüler, die » Turm « sagten oder » Baum « oder » Quelle « . » Herzauge « , flüsterte es, » Gedankenauge, Gedankenblut, Herzfleisch. Die Vier. Der Wilde, der Sanfte, der Starke, der Leichte. « Dazwischen flochten die Töne der Laute ein Netz aus Zweigen und Blättern.
    Die Flammen knisterten.
    Â» Die Mitte « , sagten die Stimmen der Mönche, die irgendwo im Labyrinth sangen und sprachen und lernten und wiederholten. » Unten und oben und alle Himmelsrichtungen. Die Jahreszeiten. Leben und Tod, Wachsen und Vergehen. Der Tod ist sanft. Das Leben ist wild. Der Starke vergeht. Der Leichte wächst hinauf. Das sind die Vier. Die Macht des Tages und der Nacht, die Macht des Abends und des Morgens. Bitter wie der Tod und salzig wie das Leben. Herb wie Verfall und süß wie Fruchtbarkeit. «
    Tahan blinzelte. Sie befanden sich in einem Raum, der kleiner war als die vorherigen Gewölbe. Aus der niedrigen Decke wuchsen Wurzeln, an denen die Flammen entlangzüngelten. Es roch vertraut nach bitterer Asche. Banoa. Die Luft war von mehr Banoa geschwängert, als gesund sein konnte. Tahan atmete gierig ein und konnte gleich darauf noch klarer sehen.
    In der Mitte des Raums befand sich eine leichte Erhöhung, auf der eine schlaksige Gestalt ungelenk tanzte. Um sie herum marschierten weitere dunkle Figuren.
    Das Stimmengewirr verschmolz zu einem tiefen Summen. Der Tänzer in der Dunkelheit wirkte wie ein schlanker, junger Baum, seine Arme waren Äste, die sich im Wind bogen, seine Zehen gruben sich in den Stein.
    Â» Noan! «
    Jalimeys Schrei riss Tahan aus seiner Versunkenheit. Eben noch hatte er den Baum auf dem Podest gesehen, die Mönche um ihn her, doch nun waren da nur noch ein ungewohnt kurzhaariger Noan und ein Haufen Feinde. Er zog das Schwert, das sofort aufglühte. Statt anzugreifen, schlang er den Arm um den Hals des nächsten Mönchs und setzte ihm die Klinge an die Kehle.
    Fassungslose Gesichter starrten ihn an. Jalimey sprang auf das Podest und griff nach Noans Handgelenk. Er trug nur einen Lendenschurz, seine Augen waren dunkel von Banoa.
    Â» Du herrliches Mädchen « , stammelte er. » Du bist schöner als die Morgenröte. «
    Â» Schnell! « , rief sie. » Wo sind deine Sachen? «
    Â» Du bist wie ein Lied, gespielt auf einer Simbarine. «
    Â» Für so was haben wir keine Zeit « , sagte Tahan. » Wirf ihm einen Kapuzenmantel über. «
    Â» Du machst einen großen Fehler « , sagte der Mönch, den er gepackt hielt. » Lass mich los, bevor etwas Schlimmes passiert. «
    Â» Wenn ihr alle tut, was ich sage, wird nichts Schlimmes passieren. « Tahan drängte den Mann zur Tür, während Jalimey sich aus ihrem Mantel schälte und Noan damit verhüllte. Die ganze Zeit murmelte er ihr betörende Liebesbekundungen zu.
    Â» Das können wir nicht zulassen! Bleibt stehen! « , polterte ein Mönch und hob die Hände. Er war klein und schmal und kahlköpfig– Tahan kannte ihn.
    Vor Schreck hielt er die Luft an, in Erwartung eines neuen Fluchs. Da schlug einer der anderen Mönche die Kapuze zurück. » Überlass das mir, Berias! « , befahl er.
    Auch dieser Mann war Tahan bestens bekannt. Dass er über die Gabe verfügte, Helden zu schaffen und zu zerstören, und dabei nicht einmal vor königlichem Blut haltmachte, war eine Tatsache.
    Du musst dich ergeben, du Idiot! Die Stimme der Vernunft schrie in seinem Kopf, stattdessen tat er das genaue Gegenteil. Er stieß den Mönch von sich, den er als Geisel hatte mitnehmen wollen, und richtete Brand auf den gewaltigen, dicken Ordensbruder, dem er seinen Ruhm und sein Elend zu verdanken hatte.
    Â» Du kommst mit. Und keine Flüche! Wenn du auch nur damit anfängst,

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