Die Saga vom Eisvolk 02 - Hexenjagd
Gerechten und die Resignation der Gefangenen.
Liv sagte still: »Auf eine Art ging es uns gut im Tal des Eisvolks.«
»Ja«, antwortete Dag. »Die Menschen sind böse, Liv. Alle Menschen. Es ist eine schlimme Zeit.«
12. KAPITEL
Herr Johan war sehr unzufrieden. Er kam nicht weiter, so schien ihm. Ja, natürlich hatte er eine Menge seltsamer Dinge angetroffen, an denen man sich festhalten konnte, aber trotzdem schien es ihm nicht ausreichend zu sein, um es zu notieren. Die Beiweise, die eine Hexe oder einen Hexenmeister wirklich zur Strecke bringen konnten, fehlten. Zwar hatte er ein paar Sachen mitbekommen, aber sie waren ihm wieder entschwunden - ganz einfach weg.
Nicht ein Wort hatte er in sein schönes Protokoll geschrieben, das so listig und ausgeklügelt vorbereitet war.
Diese freundlichen Menschen. So harmonisch! Die beiden kleinen Kinder waren höflich und gut erzogen.
Immer fröhlich und nett und um sein Wohlergehen besorgt. Sie wollten immer nur sein Bestes.
Und die Eltern… Noch nie vorher hatte er eine solche Zutraulichkeit, eine solche Verbundenheit und Zusammengehörigkeit zwischen zwei Menschen gesehen!
Sie waren so fürsorglich mit einander. Er suchte verzweifelt nach Rissen in diesem trauten Heim, denn er mißtraute einer solchen Harmonie zutiefst. Es mußte eine Sinnestäuschung sein, eine Halluzination. Aber da Frau Silje eine gottesfürchtige Frau und absolut rechtschaffen war, konnte er sich nicht vorstellen, daß sie bei einem Zauberer des Teufels bleiben würde.
Und die alte Baronin - wie hatte sie sich doch aufgeregt über seine vorsichtigen, aber gleichwohl direkten Fragen, ob nicht Herr Tengel wegen seiner speziellen Fähigkeiten, Kranke zu heilen, in Schwierigkeiten kommen könnte.
»Herr Tengel?« hatte sie geschnaubt. »Wenn er als schwarzer Magier angeklagt werden sollte, dann gibt es keine Gerechtigkeit auf Erden. Er ist mehr wert als hundert von den Dummköpfen, die in dem scheinheiligen Hexengericht sitzen!« Da hatte Herr Johan Schamgefühl genug gehabt, zu erröten.
Der einzige schwache Punkt war die Pflegetochter Sol.
Das war der Punkt, an dem er einhaken sollte.
Das sollte er wirklich!
Aber das war wohl nicht so eilig.
Wieder sah er ihr eifriges, lebhaftes Gesicht vor sich. Ihr grenzenloses Zutrauen, ihre Offenheit. Er wußte, daß er unbewußt ihre Nähe suchte, und zwar nicht wegen des Gerichtshofes.
Sie hatte einen unglaublichen Lebenshunger, die junge Sol. Es war, als ob sie alles erleben wollte, bevor es zu spät war.
Er mußte auf sie aufpassen, damit sie nicht bösen Männern in die Hände geriet, die ihre junge Schönheit für sich haben wollten.
Er selbst war natürlich über so etwas erhaben. Er hatte sein Leben einzig und allein seiner Profession am Hexengerichtshof geweiht. Und er war mit dem Auftrag unterwegs, herauszufinden…
Wieder krampfte sich alles in seinem Bauch zusammen.
Undeutlich begriff er, daß sein Innerstes sich im Konflikt mit sich selbst befand.
Herr Johan riß sich zusammen und konzentrierte sich voll und ganz auf seine Pflicht. Die menschliche Seele ausgraben, ausforschen, analysieren. Anklagen!
Er fragte sich, wo sie jetzt wohl war. Sie war weggegangen, aber sie war nicht an ihrer üblichen Stelle am Fluß. Da hatte er schon gesucht. Sie war jetzt schon lange weg. Und die Katze trieb sich noch auf dem Hof herum, auch das war ganz ungewöhnlich.
Ob sie wohl bald nach Hause kam?
Aber Sol war weit entfernt vom Hof. In der flimmernden Sommerhitze wartete sie an dem kleinen, verwitterten Stall auf halbem Weg hoch zur Bergweide. Neben ihr im Gras stand ein Korb. Darin war Wein und Kuchen. Der Wein war mit einigen der besten Liebeskräuter der alten Hanna versetzt: Blätter und Rinde von bestimmten geheimnisvollen Gewächsen, getrocknete Pilze…
Sol ahnte zwar, daß solche Mittel in diesem Fall ganz überflüssig waren, aber sie fand es besser, ganz sicherzugehen. Sie hatte nur diese eine Gelegenheit, das zu tun, was sie sich vorgenommen hatte.
Endlich hörte sie Schritte von oben die Alm herunterkommen. Sol stand auf und begann, den Pfad hinab Richtung Siedlung zu gehen, ungemein langsam, den Korb an einem Arm, das Herz in der Brust hämmernd.
Er würde sie rasch eingeholt haben - das war ganz natürlich, so langsam, wie sie ging. Als sie meinte, seine Schritte hinter sich zu hören, drehte sie sich rasch in gespieltem Erschrecken um.
,Ach, du bist es!« japste sie. »Wie hast du mich erschreckt.«
Klaus' männliches, aber
Weitere Kostenlose Bücher