Die Saga vom Eisvolk 08 - Die Henkerstochter
du wirst sehen!«
Kurz darauf ritten die Frauen von Elistrand los. Yrja mit Hilde hinter sich, Gabriella und Eli jede auf ihrem eigenen Pferd. Liv war mit dem Wagen unterwegs und besuchte die Kinder, die an Masern erkrankt waren. Sie ahnte nichts von dem, was gerade passierte.
Hilde war überwältigt von dem phantastischen Zusammenhalt der Sippe. Aber sie konnte es gut verstehen. Sie gehörte ja beinahe schon ein wenig dazu, schien ihr - und sie fühlte sich ihnen so unglaublich verbunden.
Mattias… O Gott, was mochte mit ihm geschehen sein? Eli war ganz bleich. Sie und Andreas sollten bald heiraten - und nun war sein Pferd ohne ihn heimgekehrt. Gabriella hatte ihren Kaleb dort. Sein Pferd war nicht herrenlos zurückgekommen. Aber war das eine Garantie dafür, daß er unversehrt war?
Und Yrjas einziger Sohn war auch dabei. Stumm ritten sie den Hügel hinauf. Als sie so weit gekommen waren, daß sie auf die Nachbargemeinde hinuntersehen konnten, hielten sie an.
Die Nachmittagssonne tauchte die Landschaft in goldenes Licht. Sie konnten kleine Abschnitte des Weges sehen, der sich durch den Wald schlängelte. Nirgendwo waren die Männer zu entdecken. Aber hier und da konnten sie einzelne Rufe hören. Sie ritten weiter, zögernder jetzt.
Hinter der nächsten Biegung trafen sie auf die erste Gruppe Männer. Es waren drei vom Eikeby-Hof, die dort als Wachen abgestellt waren. »Was ist geschehen?« fragte Yrja.
»Ihr solltet nicht näher heranreiten«, sagte einer ihrer Neffen. »Wie es scheint, hat der Vogt Herrn Andreas als Geisel genommen und droht damit, ihn zu töten, falls sich jemand nähert.«
»O mein Gott«, stöhnte Eli. »Und die anderen?« sagte Gabriella. »Es begann wohl damit, daß die Männer des Vogtes Herrn Andreas vom Pferd gestoßen haben. Unser Mattias sprang ab, um ihm zur Hilfe zu kommen, aber einer der Männer schlug auf ihre Pferde ein, so daß sie durchgingen. Herr Kaleb schlug einen der Vogtknechte nieder, aber da hatten die beiden anderen schon Herrn Andreas in ihre Gewalt gebracht und ihm das Messer an die Kehle gesetzt. So haben sie sich mit ihm in den Wald zurückgezogen. Während Mattias versuchte, ihnen zu folgen, ritt Herr Kaleb in unsere Richtung und traf unsere Gruppe. Jetzt haben sie sich überall im Wald verteilt, um sie einzukreisen und zu versuchen, Herrn Andreas freizubekommen. Wir haben alle Wege abgesperrt, so gut es ging, aber wir wissen nicht genau, wo sie jetzt sind.« »Es ist dem Vogt doch nicht etwa gelungen, nach seinem Hof zu entkommen?« fragte Hilde ängstlich.
»Nein, Herr Kaleb hat sich sehr darum gekümmert, daß Wachen dort aufgestellt werden.«
»Können wir denn gar nichts tun?« klagte Gabriella. »Ich glaube, es ist am besten, Ihr wartet hier, Durchlaucht.«
»Es kann Stunden dauern, bis die Männer des Bezirkskommandeurs hier auftauchen«, sagte Yrja. »Wenn überhaupt jemand kommt. Vermutlich hält man dort eher eine schützende Hand über den Vogt.« »Nicht, wenn es um den Mord an vier Frauen geht«, sagte Gabriella.
»Und an einem Henkersknecht«, murmelte Hilde. Sie ließen sich am Wegesrand nieder, von wo aus sie das Tal überblicken konnten. Aber sie sahen nicht viel mehr als Wald - und die Nachbargemeinde unten am Fluß. Die Sonne brannte ihnen auf den Nacken, zwischen den Bäumen summten die Insekten und aus den Baumwipfeln ertönte hin und wieder der Ruf eines Vogels.
Hilde saß neben Gabriella. Obwohl sie seit dem Morgen nichts mehr gegessen hatte, verspürte sie keinen Hunger. Die Anspannung in ihrem Körper war viel zu stark. »Wir vermissen dich auf Elistrand«, sagte Gabriella, die einzige unter den vier Frauen, die wirklich von adeligem Geblüt war. Eine Tochter der Geschlechter Paladin und von Meiden, mit einem kleinen Tropfen des Fürstenhauses Schwartzburg in den Adern - aber auch mit einem Tropfen kraftvollen Eisvolk-Blutes. Yrja, Eli und Hilde waren alle von recht einfacher Herkunft, aber ihre Kinder würden Kinder des Eisvolks sein. Yrja hatte ja bereits ihren Sohn, Mattias von Meiden. Aber die anderen… ?
»Wie läuft es mit dir und Mattias?« fragte Gabriella. Hilde kam zu sich. »Mattias und mir?«
Ihre Gedanken waren so vollständig besessen von der Angst, ihn nie wiederzusehen, daß sie alles um sich herum vergessen hatte. Die beiden anderen Frauen saßen ein Stück entfernt ins Gespräch vertieft und hörten nichts. »Ich… weiß nicht. Ich weiß es wirklich nicht.« »Aber er schien so interessiert.« »Ja. Aber es
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