Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame

Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame

Titel: Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
Vom Netzwerk:
Benehmen der Männer waren nur entsetzliche Andeutungen gewesen. Ohne Erklärungen. Das Gerede der Hofdamen hatte nur aus kichernder, erschrockener Wonne bestanden. Anette war auf alles vorbereitet, daß er ihren Körper völlig mit Stallmist einschmieren oder ihr sogar ein Messer zwischen die Rippen jagen würde.
    Aber da war auch noch dieses Geheimnisvolle - daß man ein Kind bekam. Ein Kind wollte sie gerne haben. O Gott, wenn ihr doch nur jemand die Zusammenhänge erklärt hätte! Warum wurden Frauen von den Männer so verlockt? Was waren Dirnen?
    Sie fiel vor der Madonna auf die Knie und bat still um Mut und Stärke, um die kommende Nacht zu überstehen. Danach zog er ja in den Krieg. Gott sei es gedankt! Als Mikael zurückkam, war es im Zimmer so dunkel, daß er sich zum Bett vortasten mußte. Gott sei Dank hatte sie das Licht vor der Mutter Gottes gelöscht. Das mußte für sie ein schwerer religiöser Kampf gewesen sein, aber er konnte sie verstehen. Ihre Prüderie verbat jede Art von Zuschauern, irdischen wie himmlischen.
    Sie lag auf dem äußeren Rand ihrer Bettseite. Bis auf das Hemd zog er schnell alle seine Kleider aus und legte sich unter die Decke.
    Gott steh' uns bei, betete er im Stillen. Mikael war kein Grobian, sondern zärtlich und aufmerksam. Er ließ ihr Zeit, streichelte vorsichtig ihr Haar und wartete, bis ihr Atem nicht länger dem eines Vogels in Menschenhand glich.
    Anette betete und betete. Ave Maria, gratia plena, Dominus tecum… O Gott, was macht er da, was will er? Benedicta tu in mulieribus, Mutter, Mutter! Warum habt Ihr mir davon nichts gesagt? Das ist ja gar nicht so wie…et benedictus fructus ventris tui, Jesus. O nein! Für eine Weile vergaß sie ihre Gebete. Sicher, Mikael gelang es, seine Pflicht zu erfüllen, aber es wurde ein unangenehmes Erlebnis, jedenfalls für sie. Sie wirkte zu Tode erschrocken, schockiert und - erstaunt? Verwundert, überrascht. Aber auch wenn sie keinen Widerstand leistete, konnte man diese Besiegelung des Ehepaktes nicht als geglückt bezeichnen. Seine Hände, die sie eigentlich schützend umfassen sollten, waren so steif, daß es bis in die Armmuskeln schmerzte, und sie selbst wagte kaum, ihn zu berühren. Ihre Hände lagen nur Millimeter von seinen Schultern entfernt, und ihre Lippen waren vor Schmerz verkniffen. Mutlos, betrübt und so entsetzlich unsicher. Unsicher vor allem in Bezug auf ihn. Sancta Maria, Mater Dei, orapro nobispeccatoribus, nuncetin hora mortis nostrae, Amen. Heilige Maria, Mutter Gottes, bitte für uns Sünder, jetzt und in der Stunde unseres Todes! Amen. Hinterher hörte Mikael, daß sie halb erstickt in ihr Kissen weinte. Er streckte die Hand aus und tröstete sie unbeholfen mit sanften Strichen über das Haar.
    Aber weder er noch sie konnten etwas sagen. Weder er noch sie hatten ein Wort füreinander.
    Beide fühlten sie eine einsame Verzweiflung, meilenweit voneinander entfernt.

3. Kapitel
    Nach nur kurzer Ausbildungszeit wurde Mikael in eine der schwedischen Besitzungen an der Ostsee geschickt. Er haßte das Soldatenleben von Anfang an, und daran änderte sich auch im Laufe der Zeit nichts. Er entwickelte sich immer mehr zu einem wortkargen, verschlossenen Mann, den die anderen sich selbst überließen. Ihm schien das so am liebsten zu sein.
    Briefe von zu Hause kamen selten, jedoch erreichte ihn die Nachricht, daß Anette ein Kind erwartete. Er lächelte bitter vor sich hin. So gefühllos und so einfach konnte also ein neues Leben geschaffen werden. Er schrieb ihr mit einem Ausdruck der Freude, die er gar nicht fühlte. Nein, eigentlich empfand er nichts für das Kind, das erwartet wurde. Es hatte nichts mit ihm zu tun, meinte er. Er hatte keine Ahnung, ob der Brief je bei ihr ankam. Er wurde oft versetzt und hatte wohl die meisten Besitzungen gesehen: die Inseln Usedom und Wollin, danach Vorpommern und schließlich Wismar. Im Laufe von zwei Jahren wurde er immer weiter nach Westen versetzt, mußte zu seiner Freude aber nur selten an Kriegshandlungen teilnehmen.
    Ein weiterer Brief erreichte ihn, der lange unterwegs gewesen war. Er hatte einen Sohn bekommen, einen schönen, kleinen Jungen. Anette hatte ihn auf den Namen Dominic taufen lassen, nach ihrem Vater. In seinem Antwortbrief schrieb Mikael, er sei mit dem Namen einverstanden und freue sich auf die Heimkehr und seinen Sohn.
    Am Abend nachdem ihn die Nachricht erreicht hatte, saß er draußen unterm Sternenhimmel und dachte nach. Wirst du auch so einsam werden

Weitere Kostenlose Bücher