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Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame

Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame

Titel: Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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winterliches Livland, das sowohl auf den Einzug der Polen als auch der Russen vorbereitet war. Das einziehende schwedische Wachbataillon traf leere Dörfer, deren Bevölkerung damit gerechnet hatte, daß hier die Russen auf ihrem Weg nach Polen vorbeikommen würden. Hier ließen sich die Schweden nieder. Sie waren viel zu wenig, um das russische Heer aufhalten zu können. Sie waren dort mehr zur Beobachtung, als Spione, die Karl X. Gustavs Heer Nachrichten zukommen ließen, das jetzt nach der schnellen Eroberung Warschaus in Polen stand.
    Vorläufig geschah gar nichts. Die Tage vergingen mit kaltem, schönem Winterwetter. Nachrichten über einen russischen Vormarsch kamen nicht, aber sie wußten, daß die Russen da waren.
    Unter funkelnden, schneeweißen Birken durchstreifte Mikael das kleine Dorf. In der großen Stille waren seine klirrenden Schritte laut zu hören. Einige wenige Bauernhöfe waren noch von alten Leuten bewohnt, deren Kräfte zu einer Flucht nicht gereicht hatten. Aber er sah keinen von ihnen; nur der weiße Rauch, der aus den Schornsteinen der Häuser aufstieg, verriet, daß sich in der Nähe Menschen aufhielten. Ansonsten waren alle in die sicheren Teile der Provinz geflüchtet.
    Am hohen Himmel zeugten einzelne Gruppen von Zugvögeln vom nahen Ende des Winters. Mikael blieb oft stehen und lauschte. Irgend etwas war merkwürdig an diesen Dorf, fand er. Er konnte nicht sagen, was es war, aber es wirkte wie ein ferner Ruf vom hohen Himmel, so klagend und gellend, als leide das Dorf unter einer unerträglichen Tyrannei - oder unter einer drückenden Strafe, der es nie entkommen konnte. Natürlich war es nicht so, es war nur Mikaels empfindliche Phantasie, die es ihm einredete.
    Jeden Tag führte sein Weg ihn vorbei an einem großen Gut, das etwas abseits vom Dorf lag. Wie es da inmitten des winterlichen Parks lag, wirkte es so unerträglich schön, so perfekt geschaffen. Stundenlang konnte er es betrachten, ergriffen von der Vorstellung vergangener Größe und herzzerreißender Wehmut, die er noch in jedem Winkel des Hauses, in jedem Teil des Parks spüren konnte.
    Livland gehörte früher dem Deutschen Orden, dem vielleicht berühmtesten aller Ritterorden, in jedem Fall dem mächtigsten. Noch immer lebten hier viele Mitglieder der deutschen Oberschicht. Auch dieses Gut hatte einst einem deutschen Adligen gehört, wie er gehört hatte. Mikael wußte, daß seine eigene Mutter Deutsche gewesen war, aber soviel er wußte, hatte er nichts von ihrem Gemüt in sich. Nur die dunklen Augen und die Form der Augenbrauen hatte er von ihr, wie Marca Christiana ihm versichert hatte. Seine Mutter, Cornelia von Breuberg, sollte ein lebhaftes, launisches und egozentrisches Wesen gewesen sein, und Mikael glaubte nicht, daß er ihr darin ähnlich war. Marca Christiana hatte ihm auch erzählt, daß er in Charakter und Gemütsart so absolut seinem Vater, Tarjei Lind vom Eisvolk, ähnelte. Nur mit dem Unterschied, daß Mikael noch geistesabwesender war, als gehe er träumend durch eine Welt, die er nie zuvor gesehen hatte.
    Doch, es stimmte wohl, Nachdem er Tancred Paladin getroffen hatte, ahnte er wohl, daß es für ihn eine andere Welt, ein anderes Leben gab. Seine Wurzeln lagen in Norwegen.
    O Gott, wie er sich dorthin sehnte! Die Mitglieder des Eisvolks zu treffen, Menschen, die so waren wie er, mehr über sich selbst zu erfahren und darüber, was in ihm verborgen lag, warum er sich immer wie ein Außenstehender vorkam. Denn Marca Christiana erinnerte sich schwach, daß es mit dem Eisvolk etwas Ungewöhnliches auf sich hatte. Sein eigener Vater, Tarjei, habe viele gute Eigenschaften gehabt, behauptete sie, und sie habe ihn eigentlich nie richtig verstanden.
    Das letzte könnte auch auf mich zutreffen, dachte Mikael mit einem bitteren Lächeln. Wer weiß, ob ich mich jemals selbst verstehen werde!
    Er zuckte plötzlich zusammen, als er da vor dem Tor des großen Gutshofes stand.
    Auf dem Balkon an der Vorderseite des Hauses stand eine schwarze Gestalt.
    Eine Frau. Vor dem Hintergrund des weißen Hauses und des weißen Schnees zeichnete sie sich doppelt so scharf ab. Alles war weiß - ausgenommen diese schlanke, ganz in Schwarz gekleidete Gestalt.
    Aber es war doch niemand im Hause? Nicht, daß jemand es genauer untersucht hätte, aber alles wirkte so kalt und verschlossen, ohne irgendeine Spur im Schnee. Die Tore standen offen, der Schnee war unberührt und bedeckte die ganze Einfahrt bis hinauf zum Haus.
    Sie sah in

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