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Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame

Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame

Titel: Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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werden. Ein schönes Tier werde er einmal sein, meinten alle. Mikael nannte ihn Troll, denn Birgittes Namen Mickie mochte er gar nicht.
    Pflichten hatte er jetzt keine mehr, er war fertig mit dem Soldatenleben. Eigentlich hätte er zu seinen Kameraden ein ganz zwangloses Verhältnis haben können, wäre da nicht diese Mauer aus diffuser Verwirrung gewesen, die seine Gedanken und Gefühle umschloß. Freiheit türmte sich vor ihm auf, da konnte er es sich schon mal leisten, über ihre Spaße zu lachen, wenn auch unsicher und geistesabwesend.
    Aber die Nacht auf dem Gut hatte Spuren hinterlassen. Tief in ihm saßen Fieberängste, ein beschädigtes Zahnrad in der Maschinerie. Mikael wußte, daß es für ihn keine Ruhe geben würde, nirgends.
    Wie ein zähflüssiger Traum war sein Leben bis jetzt gewesen. Nie hatte er richtig gelebt, immer nur für kurze, flüchtige Augenblicke. Das Treffen mit Tancred Paladin. Marca Christianas ständige Freundlichkeit und Umsicht. Der Hund. Das Herzklopfen, das er in Birgitte Nähe empfunden hatte.
    An sie wollte er nicht mehr denken. Unbehagen erfüllte sein Herz, wenn er an sie dachte. Es berührte ihn nicht so sehr, daß sie den Gutsbesitzer verraten, oder daß sie ihn, Mikael, kalt und berechnend hinters Licht geführt hatte, wohl wissend, daß er ein einsamer Mann und hungrig nach weiblicher Gesellschaft war. Nein, es war die Brutalität, mit der sie den Hund getreten hatte. Die hatte alle seine Gefühle für sie sterben lassen.
    Und natürlich die Tatsache, daß er selbst seine Ritterehre nicht hatte sauber halten können, daß er, gebunden an eine andere, sie begehrt hatte, derb und tierisch wie die schlimmsten Rohlinge in der Armee.
    Der Hund bedeutete ihm alles. Ohne daß er sich darüber im klaren war, symbolisierte er für ihn etwas bisher Versäumtes, etwas, was er bisher nie hatte zeigen können:
    Fürsorge für ein anderes Lebewesen. Wie sollte man so etwas auch zeigen, wenn man zum Töten in den Krieg geschickt wurde? Mikael war ein lieber, gut erzogener Junge gewesen, hatte immer auf andere Rücksicht genommen. Nur war er immer auf die Barmherzigkeit anderer Menschen angewiesen gewesen. Erst hatte sich Juliana des elternlosen Kindes Mikael angenommen. Dann war es Johan Baner, der sich seiner erbarmt hatte, obwohl er eigentlich gar keinen Grund dazu hatte. Johans Schwester Anna, verheiratet mit Reichsadmiral Oxenstierna, war die nächste. Und dann Marca Christiana, seine Pflegeschwester, und ihr Mann. Und die ganze Zeit hatte Mikael sich bemüht, es allen recht zu machen und seine Dankbarkeit zu zeigen, indem er lieb und wohlerzogen war und Rücksicht auf andere seinem eigenen Wohlbefinden voranstellte.
    Aber Rücksicht alleine war nicht genug. Und mehr hatte er ihr nicht zu bieten, Anette, der Ehefrau, um die er nicht gebeten hatte. Birgitte hatte er in reiner, unbefleckter Liebe ertränken wollen - dachte er jedenfalls. Für sie hätte er alles tun können. Nur, sie hatte nichts getaugt. Er jedoch auch nicht.
    Der Hund dagegen, der hatte nur ihn und beantwortete seine Fürsorge mit selbstloser Hingabe, die Mikael rührend fand. Wenn die kleine Hundeschnauze in seiner Halsgrube lag, und der Hund aus lauter Wohlbefinden seufzte oder ergeben Mikaels Hand leckte und versuchte, den Willen seines Herrn zu erraten, noch bevor der etwas gesagt hatte - ach, Mikael liebte das Tierchen. Im tiefsten Herzen wußte Mikael jedoch, daß der Hund eigentlich nur eine Entschuldigung war, ein Ersatz für den Sohn, den er ohne Liebe gezeugt hatte. Den er nie gesehen hatte, und für den er nichts anderes als ein schlechtes Gewissen empfand. Nie hatte er die Mutter seines Kindes geliebt. Wie konnte er das Kind da als seines bezeichnen?
    Der Feldscher sah wohl, daß mit Mikael Lind vom Eisvolk nicht alles so war, wie es sein sollte. Sicher, sein Ausbruch hatte den Jungen erleichtert, aber irgend etwas war mit dem Jungen nicht in Ordnung. Sein Ausbruch war bestimmt auf seine Abneigung gegen das Soldatenleben zurückzuführen, in das man ihn viel zu früh gesteckt hatte, noch dazu gegen seinen Willen. Aber da war noch etwas.
    Was das war, ahnte niemand, am wenigsten Mikael selbst. Schon gar nicht, daß es mehrere Dinge waren, die ihm zu schaffen machten.
    Ein davon sollte bald ans Tageslicht kommen. Das zweite auch. Aber das dritte und letzte saß tiefer. Wie eine böse Krankheit fraß es ihn von innen auf, begann wie ein kleiner schwarzer Fleck in der unbekannten Tiefe seiner Seele, fraß sich

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