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Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame

Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame

Titel: Die Saga vom Eisvolk 09 - Der Einsame Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Sandemo
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daran, daß es in Zukunft ein übertrieben lebhaftes Familienleben geben würde. Aber auch darüber konnten sie ja am Abend sprechen. Er war aufgeregt und nervös, das konnte er nicht abstreiten. Anette war voller Hemmungen und machte immer so viele Schwierigkeiten, fand er. Es war nicht ganz einfach, ihren Willen und ihre Wünsche zu erraten, so sehr er es auch versuchte.
    Aber wie war es denn mit ihm? War der Umgang mit ihm denn einfach?
    Außerdem wußte er sehr gut, was sie wollte: Daß er sich lieb und brav in seinem Zimmer aufhielt, damit sie in aller Ruhe ihren geliebten Sohn anbeten konnte. Anette war eine der Frauen, die nach der Geburt ihres Kindes ausschließlich Mütter sind. Für den Mann war dann kein Platz mehr.
    »Anette«, begann er, als sich das Abendessen nicht mehr in die Länge ziehen ließ, »kann ich ganz ehrlich sein?« Ihre Augenlider flatterten. »Gewiß doch.«
    Er holte tief Luft. »Ich brauche dich. Ich brauche deine Nähe, deine Wärme und dein Verständnis - verzweifelt. Ich brauche jemanden hier auf Erden, der mir zur Seite steht. Der mir in meinen schlimmen Stunden beisteht.« »Deinen schlimmen Stunden?«
    »Hast du nicht gemerkt, daß ich völlig am Ende bin?« Sie starrte ihn erschreckt an. »Du bist doch nicht gefährlich«.
    Mikael war kurz davor, alles aufzugeben. »Großer Gott, nein!«
    »Trinken tust du doch auch nicht. Wieso geht es dir so schlecht, daß du völlig am Ende bist?«
    Er schloß sekundenlang die Augen. »Ich weiß es nicht, liebe Anette. Ich bitte dich nur um Hilfe. Gib mir von deiner Wärme! Zeige mir, daß ich dir etwas bedeute!« Sie beugte den Kopf. »Ich stehe dir zur Verfügung. Ist das nicht genug?«
    »Nein, das ist nicht genug! Ich will nichts gegen deinen Willen tun. Ich will, daß du Lust dazu hast.«
    Anette erstarrte. »So etwas Schändliches kannst du nicht von mir erwarten.«
    In Mikael begann es zu kochen. »Warum nicht? Bist du nicht meine Ehefrau?«
    »Doch. Ich sagte doch, daß ich dir zur Verfügung stehe. Aber ich bin schließlich kein Straßenmädchen.« Seine Verzweiflung nahm langsam überhand. »Verstehst du das denn nicht? Ich habe doch gelernt, dich zu lieben! Konntest du das nicht in meinen Briefen lesen? Im Krieg habe ich nur an die guten Stunden gedacht, die wir beide miteinander hatten. Als wir zusammen lachen konnten, Verbundenheit gefühlt haben. Wie kannst du da von Straßenmädchen sprechen?«
    »Ich bin anständig erzogen worden, das solltest du eigentlich wissen.«
    »Denk nur, das weiß ich«, sagte er. Er sah langsam rot. »Gott bewahre, du bist doch Französin! Die sind doch bekannt für ihre Wärme und Liebeskunst…«
    »Nein«, schrie sie. »Für ihren Leichtsinn! Wenn ich daran denke, schäme ich mich direkt, Französin zu sein.« Mikael sprang von seinem Stuhl auf, ergriff ihren Arm und zog sie wütend die Treppe hinauf.
    Anette schrie. »Mikael! Hilfe, du bist ja verrückt. Hilfe! Ist denn niemand da, der mir helfen kann?«
    Ohne weiter auf sie zu hören, zog er sie in ihr Schlafzimmer, das eigentlich auch für ihn bestimmt, aber nie seins gewesen war.
    Er war weiß im Gesicht. »Ich habe die Kunst der Selbstbeherrschung bis zum Äußersten gelernt. Aber auch für mich gibt es eine Grenze«, stieß er hervor, während er ihr das Kleid herunterriß. »In all' den Jahren war ich rücksichtsvoll, denn ich wollte so sein. Ich habe auf ein Zeichen von dir gewartet, daß du mich nicht als gar zu unangenehm empfindest. Aber nicht mit einer Miene oder einem einzigen Wort hast du gezeigt, daß du dir etwas aus mit machst. Und was habe ich davon? Eine Ehefrau, die Angst vor mir hat. Die um Hilfe schreit, wenn ich sie ein einziges Mal anfasse!«
    Plötzlich war seine Wut vorüber. Er sah das jämmerliche Wesen an, das da nur im Unterrock mit hängenden Armen mitten im Zimmer wartete, als stünde der Weltuntergang unmittelbar bevor.
    »O du lieber Himmel«, seufzte er müde. »Ich mag nicht mehr kämpfen. Ich gehe in mein Zimmer. Du kannst heute nacht sicher vor mir sein. Und auch in Zukunft.« Sein ganzer Lebenswille verließ ihn. Erfüllt von Hoffnungslosigkeit schloß er die Tür hinter sich und ging in sein Zimmer. Ohne sich auch nur auszuziehen, warf er sich auf das Bett und drückte das Gesicht tief ins Kissen. In seinem Kopf überschlugen sich die Gedanken, ohne daß er einen davon zu Ende denken konnte.
    Wie lange er so gelegen hatte, wußte er nicht, als er plötzlich eine jammervolle Stimme hörte: »Mikael.«
    Er

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