Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
der Morgen.
Lange bevor die Sonne aufging, begann eine Bergammer mit ihrem einsamen Gesang und das abwechslungsreiche Lied hallte von den steilen felsigen Wänden der Berge hundertfach zurück. Vhait erwachte. Ein schrecklicher Alptraum, an den er sich nur noch undeutlich erinnern konnte, ließ ihn noch immer zittern und die verworrenen Bildfetzen von Tod und Zerstörung verblassten nur langsam. Das Gehölz, in dessen Schutz Sunnivah und er am vergangenen Abend ihr gemeinsames Lager aufgeschlagen hatten, lag noch in mattem Dämmerlicht. Ein kühler Wind wehte von den Hängen des Himmelsturms herunter und bewegte die Bäume.
Vhait fröstelte. Offenbar hatte er sehr unruhig geschlafen.
Die Decke war fort und sein Mantel hatte sich weit geöffnet, sodass die morgendliche Kälte ungehindert seine Haut hatte erreichen können. Sorgfältig schloss er den Mantel. Dann richtete er sich auf, griff nach seiner Decke und zog den rauen, grob gewebten Stoff bis unter das Kinn, um sich wieder hinzulegen. Dabei streifte sein Blick Sunnivah, die nur eine Armeslänge entfernt neben ihm schlief. Ihr dichtes rotes Haar war zerzaust und doch wirkte sie in diesem Augenblick unsagbar schön. Eine Woge von Sehnsucht überschwemmte ihn plötzlich, begleitet von einem Gefühl heftiger Leidenschaft. Sie wirkte so hilflos im Angesicht der gewaltigen Berge. Er wünschte sich nichts mehr als sie an diesem Morgen begleiten zu können, um sie zu beschützen. Aber er wusste, dass sie es nicht zulassen würde. Schon am vergangenen Abend hatten sie heftig darüber gestritten. Sunnivah war fest entschlossen allein zu gehen und ließ sich durch nichts davon abbringen.
Ohne dass er es wollte, streckte Vhait seine Hand aus und strich Sunnivah eine Haarsträhne aus dem Gesicht, die sich in ihrem Mundwinkel verfangen hatte. Sunnivah seufzte und lächelte im Schlaf. Ihr Lächeln ließ Vhaits zärtliche Gefühle erneut aufflammen. Unendlich sanft strich er mit seinem Handrücken über ihre Wange, worauf Sunnivah sich auf die andere Seite rollte und ihr Gesicht abwandte. Plötzlich schämte sich Vhait. Er hatte jetzt nicht das Recht zu solchen Gefühlen. Bald würden sich ihre Wege trennen. Und wenn Sunnivah scheiterte… Aber daran wollte er jetzt nicht denken. Entschlossen warf er die Decke zur Seite, stand auf und ging zu den Pferden hinüber. Er musste sich ablenken, um die trüben Gedanken zu vertreiben. Die Pferde standen noch ruhig da, wo er sie angebunden hatte. Vhait löste die Zügel und führte die Tiere zum Bach hinunter, damit sie trinken konnten. Anschließend band er sie an einem Baum fest, von dem aus sie bequem die langen Triebe des weichen Schöngrases erreichen konnten, das hier überall zu finden war.
Während er zusah, wie die beiden Braunen grasten, spürte er erneut die quälende Ungewissheit in sich aufsteigen. Doch er wollte nicht darüber nachdenken, was dieser Sonnenlauf bringen würde. So stand er auf und sammelte dürres Holz am Rande der Lichtung. Zufrieden stellte er fest, dass die Äste ausnahmslos trocken waren, und schichtete ein kleines Feuer über der erkalteten Asche vom vergangenen Abend auf. Ein einziger Funke reichte aus, um es zu entzünden, und Vhait blieb eine Weile neben den Flammen sitzen, um sich zu wärmen. Gedankenverloren betrachtete er seine schlafende Begleiterin.
Als hätte sie seine Blicke gespürt, begann Sunnivah sich unter ihren Decken zu regen. Wenig später richtete sie sich verschlafen auf, strich die Haare aus ihrem Gesicht und sah sich um. »Wie spät ist es?«, fragte sie erschrocken, als sie Vhait am Feuer sitzen sah.
»Die Sonne steht noch nicht über den Bergspitzen.« Er deutete hinter sich, wo der glühende Himmel den nahen Sonnenaufgang ankündigte. »Aber ich denke, es wird nicht mehr lange dauern.«
»So spät schon?« Sunnivah blinzelte zum Himmel hinauf. Dann erhob sie sich und verschwand für einen Moment im Unterholz. Vhait sah ihr schweigend nach, während er in seinem Rucksack nach etwas Essbarem suchte. Als Sunnivah zurückkehrte, hatte er bereits trockenes Brot und etwas Dörrfleisch für sie bereitgelegt.
Sunnivah setzte sich ihm gegenüber an das Feuer, zog ihren Mantel fest um die Schultern und begann mit ihrem Morgenmahl. Vhait beobachtete sie verstohlen, während er aß. Winzige Wassertropfen hingen in ihren Haaren, die noch immer zerzaust waren. Offenbar war sie am Bach gewesen, um sich zu waschen. Nun starrte sie schweigend zum Himmelsturm hinauf. Ihr Gesicht zeigte
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