Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
musst, nimm den Stein in die Hand und richte deinen Blick fest auf ihn. Streiche mit deinem Finger sanft über den Stein und sprich die Formel, um die Macht in ihm zu wecken. Die Göttin möge dich beschützen.« Mit diesen Worten begann die Gestalt des Druiden vor dem dunklen Hintergrund der Wand langsam zu verblassen. Dann war er fort.
Sunnivah brauchte nicht lange zu warten. Schon bald hörte sie wieder die gleichmäßigen Schritte, die sich ihrem Versteck rasch näherten. Wenig später erkannte sie den auf und ab tanzenden Schein der Fackeln, der den Kriegern in dieser lichtlosen Welt weit vorauseilte. Als die Krieger dicht an ihr vorübergingen, schloss sie für einen Moment die Augen und wagte nicht zu atmen.
Niemand bemerkte sie. Als der letzte Fackelträger ihr Versteck passiert hatte, schlüpfte Sunnivah aus dem Gang und beeilte sich den Männern zu folgen.
Völlig unbemerkt erreichte Sunnivah ihre Kammer. Leise öffnete sie die Tür und trat ein. Drinnen war es dunkel. Der Schein ihres Amulettes war erloschen und auch das Talglicht auf dem kleinen Tisch brannte nicht.
Unter dem kleinen Fenster am Ende des Raumes befand sich Fayolas Lager. Sie schlief. Sunnivah hörte die leisen gleichmäßigen Atemzüge ihrer Zimmergefährtin, während sie sich vorsichtig zu ihrem eigenen Lager vortastete. Ohne sich auszuziehen legte sie sich hin und schloss die Augen.
Der Meistermagier hielt Naemy gefangen!
Nur zehn Sonnenläufe! Die Zeit war viel zu knapp für einen guten Plan.
Und dann musste sie auch noch den Kopf der Schlange aus dem Thronsaal stehlen und den Stab der Göttin aus den Tiefen der Festung holen. Sunnivah seufzte. Je länger sie darüber nachdachte, desto unlösbarer erschienen ihr die Aufgaben, die ihr der Druide übertragen hatte. Außerdem hatte er ihr nicht gesagt, was sie mit dem Stab anfangen sollte, wenn er in ihrem Besitz war.
Sie gähnte. Der Stab konnte warten. Zuerst musste sie sich um Naemy kümmern. Langsam zog sie das Amulett aus ihrem Gewand hervor und betrachtete es eingehend. Der Druide hatte Recht, sie würde die Magie des Steins noch dringend brauchen.
Plötzlich erinnerte sie sich an etwas anderes, das der Druide ihr gesagt hatte. »… du hast Freunde. Mit einer teilst du dein Zimmer…« Sunnivah richtete sich auf und sah zu ihrer schlafenden Zimmergefährtin hinüber.
War Fayola wirklich ihre Freundin?
Wie weit konnte sie der jungen Kriegerin vertrauen?
Fragen über Fragen, auf die sie keine Antwort wusste. Doch die Zeit drängte und es gab niemanden in der Festung, dem sie so nahe stand wie Fayola. Sie musste das Risiko eingehen, selbst wenn sie sich nicht sicher war, wie ihre Zimmergefährtin wirklich zu ihr stand.
Sunnivah zögerte. Doch schließlich verdrängte sie alle Zweifel. Voll Vertrauen auf die Worte des Druiden erhob sie sich und trat zu Fayola.
»Wach auf!« Sanft berührte Sunnivah ihre Zimmergefährtin am Arm. Doch Fayola schlug ihre Hand einfach fort und drehte sich brummend auf die andere Seite.
»Fayola, aufwachen!« Sunnivah blieb hartnäckig und schüttelte die schlafende Kriegerin an der Schulter. Unwillig warf sich Fayola herum. »Was willst du denn mitten in der Nacht?«, fragte sie ohne die Augen zu öffnen und wickelte sich noch fester in ihre Decke.
»Fayola, bitte. Mach die Augen auf und hör mir zu«, bat Sunnivah. »Ich muss dir etwas Wichtiges sagen. Ich habe nicht viel Zeit und brauche dringend deine Hilfe.«
Endlich öffnete Fayola die Augen. »Na gut, aber fass dich kurz. Ich bin müde«, murmelte sie schläfrig. Dann gähnte sie und ihre Augen fielen wieder zu.
»Wach endlich auf, Fayola«, drängte Sunnivah. »Es ist mir wirklich sehr ernst.«
Fayola streckte sich ausgiebig, schob die Decke fort und richtete sich auf. »Ist ja schon gut«, brummte sie. »Ich bin jetzt wach. Also, was ist los?«
8
In dem kleinen Dorf am Rande der Finstermark dämmerte es. Bald würde die warme Sommersonne ihre ersten Strahlen über das weite Grasland senden und die sanften, von wogendem Gras bewachsenen Hügel in ihr goldenes Licht tauchen. Ein leichter Wind strich über die langen grünen Halme der Gräser und bewegte sie wie die Wellen auf einem riesigen See. Er hatte schon einen weiten Weg hinter sich, denn er kam von den ewig schneebedeckten Gipfeln des Ylmazur-Gebirges herab und trug den würzigen Duft der Berge in sich.
Vhait blickte von seinem Lager durch das geöffnete Fenster zum Himmel hinauf und atmete tief
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