Die Saga von Thale 01 - Elfenfeuer
Gemächern des Sequestors vorüberging. Er befand sich offensichtlich nicht in seinen Räumen, denn die großen Flügeltüren waren fest verschlossen und es standen keine Wachen davor.
Ein Geräusch hinter der Tür erregte ihre Aufmerksamkeit. Vorsichtig trat sie näher und vergewisserte sich, dass niemand sie beobachtete. Dann legte sie ihr Ohr an den Türspalt und lauschte. Sie hatte sich nicht getäuscht. Hinter der Tür hörte sie ganz deutlich das klägliche Wimmern eines Mädchens. »Alani?«, rief Fayola leise, verstummte aber sofort, denn das Echo ihrer Stimme hallte verräterisch durch die leeren Gänge.
»Fayola? Bist du da?«, hörte sie eine Stimme hinter der Tür ungläubig fragen. Doch aus Angst, entdeckt zu werden, wagte Fayola nicht zu antworten.
»Fayola?«, rief das Mädchen jetzt lauter. Und als sie wieder keine Antwort erhielt, schrie sie verzweifelt: »Fayola, bist du da? Bitte hilf mir! Er tut mir so weh.« Die helle Stimme des Mädchens überschlug sich fast bei den Worten und sie begann wieder zu weinen.
Erschüttert wandte sich Fayola ab. Alani war dort drinnen! Daran gab es keinen Zweifel. Dieses Schwein quälte sie noch immer! Ein brennender Hass, wie sie ihn noch nie gespürt hatte, stieg in ihr auf und trieb ihr Tränen in die Augen.
Plötzlich wusste Fayola genau, was sie zu tun hatte. Entschlossen drehte sie sich um und machte sich auf den Weg zu Sunnivah.
Als die Tür aufging, blickte Sunnivah Fayola erwartungsvoll entgegen. Ihre Zimmergefährtin wirkte erregt, aber auch sehr entschlossen.
Fayola warf die Tür hinter sich ins Schloss und setzte sich neben Sunnivah. Wortlos ließ sie sich auf den Rücken fallen und starrte lange schweigend an die Decke. Schließlich sah sie Sunnivah geradeheraus an. »Was du vorhast, ist wirklich Wahnsinn«, erklärte sie. »Aber ich helfe dir.« Die Gründe, die sie zu diesem Entschluss bewogen hatten, behielt sie für sich. Stattdessen sprang sie vom Bett, ging zu ihrer Truhe und zog ein vergilbtes Pergament hervor, das sie auf dem Tisch ausbreitete.
»Ich wusste doch, dass ich diese uralten Pläne irgendwann einmal brauchen könnte«, sagte sie lächelnd.
»Was ist das?« Sunnivah war herangetreten und betrachtete interessiert das verworrene Muster auf dem Pergament.
»Ein alter Plan der Festung«, erklärte Fayola. »Er lag schon in der Truhe, als ich hier ankam. Aus irgendeinem Grund konnte ich mich bisher nicht dazu entschließen, ihn wegzuwerfen.« Vorsichtig strich sie mit den Fingern das spröde und rissige Pergament glatt. »Allerdings muss ich zugeben, dass ich mich bisher nicht weiter damit beschäftigt habe. Ich weiß nur, dass dies hier…«, sie deutete mit dem Finger auf einen großen fast runden Kreis in der Mitte, »… der Thronsaal ist.« Dann zog sie zwei Stühle an den Tisch, setzte sich und bedeutete Sunnivah es ihr gleichzutun. »Setz dich, Sunnivah«, sagte sie. »Wenn wir Naemy befreien wollen, haben wir nicht mehr viel Zeit. Vor uns liegt noch eine Menge Arbeit.«
Die kleine Gruppe der Steppenkrieger hatte gute Beute gemacht. In nur zwei Nächten war es ihnen gelungen, drei der großen Steppenbüffel zu erlegen.
Alle waren zufrieden. Schon früh am Morgen hatten sie ihr Lager abgebrochen und den Rückweg angetreten. Inzwischen hatte die Sonne ihren höchsten Stand längst überschritten. Bald würden sie ihr Heimatdorf erreichen. Die Männer lachten und freuten sich über die gelungene Jagd, während sie zügig neben dem kleinen, zottigen Steppenpony hermarschierten, das den schweren Karren mit dem Büffelfleisch zog.
»Bald wirst du nach Hause gehen können«, sagte Rangun lachend und klopfte Vhait kameradschaftlich auf die Schulter. »Kuomi macht sich zu viele Sorgen. Du bist viel kräftiger, als sie glaubt.«
Vhait erwiderte das Lachen und sagte: »Das stimmt. Es ist gut, dass ich euch begleitet habe.« Tatsächlich waren die langen Märsche durch das Grasland für ihn weit weniger anstrengend gewesen, als er befürchtet hatte, und er begann mit dem Gedanken zu spielen, Kuomis Dorf schon bald zu verlassen. Er wollte noch etwas sagen, doch dann sah er plötzlich die kleine dunkle Gestalt eines Jungen auf einem Hügel direkt vor ihnen.
Auch die anderen Männer hatten ihn gesehen und verstummten. Gespannt beobachteten sie, wie der Junge eilig den Hügel hinunterlief und direkt auf sie zuhielt. Er war noch zu weit entfernt, als dass sie seine Rufe hören konnten, doch selbst aus dieser Entfernung war
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