Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers
mitbekommen und konnte im Nachhinein nicht mehr unterscheiden, was Traum und was Wirklichkeit gewesen war.
Ein plötzlicher Ruck am Arm riss sie aus ihren Gedanken. Der Krieger an ihrer Seite war stehen geblieben und hatte sie grob zurückgerissen, damit sie nicht gegen den Meister prallte, der unmittelbar vor ihm innegehalten hatte.
»Das Mädchen!«, schnarrte der Rotgewandete mit krächzender Stimme und streckte die skelettartige Hand aus. Der Krieger trat vor, zerrte Kiany mit sich und übergab sie dem Meister.
»Geh zurück und warte bei den anderen, bis ich komme«, befahl Asco-Bahrran und packte Kiany am Arm.
»Bagarr!« Der Krieger neigte kurz das Haupt, drehte sich um und verschwand augenblicklich in den Nebelschwaden.
»So, meine Kleine.« In der Stimme des Meisters vibrierte eine freudige Erregung, wie sie nur jemand spürte, der sich unmittelbar vor der Erfüllung seines sehnlichsten Wunsches wähnt, und Kiany zuckte erschrocken zusammen. Denn da war noch etwas: etwas Böses, Abscheuliches, als wisse er genau, welch schreckliche Folgen sein Handeln haben werde und als freue er sich unbändig darauf.
»Jetzt gibt es nur noch uns beide«, zischte Asco-Bahrran ihr zu und schob sie am Arm durch den Nebel auf ein mannshohes dunkles Loch zu, das sich vor ihnen in einem Hügel auftat. Dahinter erstreckte sich ein Tunnel, dessen feucht glänzende Wände sich in der Finsternis verloren. Einstmals musste ein Tor aus dicken Eichenbohlen den Eingang versperrt haben, doch die Zeit hatte das Holz mürbe gemacht. Moos und Flechten hatten Besitz davon ergriffen und es langsam aufgezehrt, bis es auseinander brach. Von Gestrüpp überwucherte Trümmer waren alles, was jetzt noch an das hölzerne Portal erinnerte.
»Cheladeon!« Asco-Bahrran machte eine kurze Bewegung mit der freien Hand und eine leuchtende Kugel erschien vor ihnen in der Luft. »Lesoma!« Der Magier deutete auf den finsteren Eingang und die Kugel schwebte langsam darauf zu. Ihr Licht war hell genug, um einen weiten Umkreis zu erleuchten, und Kiany spähte furchtsam nach vorn. Die Dunkelheit machte ihr Angst. Alles in ihr sträubte sich dagegen, dort hineinzugehen, doch Asco-Bahrran hielt sie mit eisernem Griff fest und drängte sie geradewegs darauf zu.
Kiany musste sich zusammenreißen, um noch immer den Anschein zu erwecken, unter dem Einfluss der Droge zu stehen. Mit jedem Schritt fiel es ihr schwerer zu gehen, doch obwohl sie inzwischen panische Furcht hatte, zwang sie sich weiter.
Dann hatten sie den Tunnel erreicht und Asco-Bahrran schob Kiany auf den Eingang zu. Der Geruch nach Moder und brackigem Wasser schlug ihr entgegen und nahm ihr den Atem. Jetzt, da Asco-Bahrran hinter ihr stand, wagte sie es endlich, die Augen ganz zu öffnen und stieß einen Schrei aus.
Im Licht der Kugel, die einige Längen vor ihnen schwebte, erkannte sie, dass der Tunnel kurz hinter dem Eingang steil nach unten abfiel und dort, nicht einmal zwanzig Längen entfernt, spiegelte sich Wasser.
»Geh! « Asco-Bahrran versetzte ihr einen heftigen Stoß in den Rücken und sie taumelte vorwärts.
»Nein«, keuchte sie und starrte entsetzt auf das ölig schimmernde Wasser.
»Geh! « Die Stimme des Magiers war jetzt ganz nahe an ihrem Ohr und seine Klauenfinger krallten sich in ihren Nacken. »Du hältst dich wohl für besonders schlau, wie? Denkst wohl, ich weiß nicht, dass der Trank deine Sinne längst nicht mehr betäubt. Aber du irrst dich.« Mit einer Kraft, die Kiany ihm nicht zugetraut hätte, schob er sie vor sich her auf das Wasser zu. »Mir hast du zu verdanken, dass du bei Sinnen bist. Hier kann ich kein Medium gebrauchen, das ich wie ein verwirrtes altes Weib an der Hand führen muss. Du begleitest mich, ob du willst oder nicht.« Kiany wollte lieber sterben, als freiwillig in das kalte, stinkende Wasser zu steigen. In ihrer Verzweiflung griff sie nach hinten, packte Asco-Bahrrans Arm und holte zu dem einzigen Kre-An-Sor-Wurf aus, den Banor ihr beigebracht hatte. Doch der Versuch scheiterte schon im Ansatz.
Ein eisiger Blitz schoss durch ihre Glieder und lähmte augenblicklich jeden Muskel ihre Körpers.
Unfähig, sich zu bewegen, stand sie da wie eine Statue, die Arme unnatürlich verdreht und Furcht im Blick. »Du vergisst, wer ich bin«, höhnte Asco-Bahrran. »Wäre es so leicht, mich zu besiegen, stünde ich nicht hier. Und nun geh! «
Ohne es zu wollen spürte Kiany, wie ihre Beine sie vorwärts trugen. Schritt für Schritt näherte sie sich dem
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