Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers
Menschen reagierten in dem Gedränge nur sehr träge. Die meisten starrten die beiden Novizinnen erst mal verwundert an, bevor sie schließlich beiseite traten. Alles ging viel zu langsam.
Kiany war noch bei Bewusstsein und litt Höllenqualen. Jeder Muskel in ihrem Körper schmerzte, sie hatte rasende Kopfschmerzen und die vergeblichen Versuche, Luft zu holen, brachten sie fast um den Verstand. Durch einen blutroten Nebel sah sie die Gesichter der neugierig gaffenden Menschen und hörte ihre verzerrten Stimmen hinter dem Rauschen des Blutes in ihren Ohren. Arme und Beine gehorchten ihr längst nicht mehr. Unfähig, sich zu bewegen, fühlte sie, wie Manou sie mit sich schleifte, während ihr Herz hämmerte und ihr Körper nach Luft gierte. Zu spät! Manou kann mir nicht mehr helfen, schoss es ihr durch den Kopf und sie schaffte es sogar, sich darüber zu wundern, wie klar der Gedanke war. Sie würde sterben. Jeden Augenblick! Seltsamerweise verspürte Kiany keine Furcht. Der Tod erschien ihr in diesem Moment nicht als Feind, sondern als Freund, der sie von den schrecklichen Qualen erlösen würde. Kiany schloss die Augen und wartete. Gleich! Ein heftiger, stechender Schmerz durchfuhr plötzlich ihren Rücken. Sie bäumte sich auf, entglitt Manous Händen und rutschte zu Boden. Sie sah noch, wie ihre Freundin sich über sie beugte, den Ausdruck blanken Entsetzens im Gesicht dann sah sie nichts mehr.
Lautlos schloss Zatoc die Tür zum Arbeitszimmer des Druiden und huschte den Flur entlang zu der breiten Flügeltür, hinter der sich der Ratssaal von Nimrod befand. An das Blut, das von dem Tuch mit der abgetrennten Hand des Druiden herabtropfte, verschwendete er dabei ebenso wenige Gedanken wie an das Blutbad, das er im Schlafgemach des Druiden angerichtet hatte. Das unverhoffte Auftauchen des Mädchens hatte ihn Zeit gekostet, die er nicht besaß, und er musste sich beeilen, um den Rückstand aufzuholen.
Trotz der Dunkelheit fand er das geschnitzte Kristallauge in der Tür auf Anhieb und entfernte das Tuch von der blutigen Hand. Die Hand war der Schlüssel zum Ratssaal. Achtlos ließ er das durchweichte Tuch zu Boden fallen und presste die Hand auf das Auge. Nichts geschah. Zatoc fluchte leise. Die erstarrten Fingerwaren zu einer Klaue gekrümmt und verhinderten, dass sich die Innenfläche der Hand über den Kristall legte. Zatoc sah sich gezwungen, jeden einzelnen Finger zu brechen, damit er die Hand richtig auf den Kristall legen konnte. Fünfmal hallte das schauderhafte Geräusch berstender Knochen durch den Flur, dann hatte er es geschafft und versuchte es ein zweites Mal wieder nichts. Auch der dritte und vierte Versuch blieben erfolglos. »Bei den Toren! « Erbost betrachtete Zatoc zuerst die Hand und dann das Kristallauge. Warum widersetzte sich der magische Mechanismus? Allmählich wurde er unruhig. Schweißperlen glänzten auf seiner Stirn. Sein Atem ging kurz und stoßweise. Warum öffnete sich die Tür nicht?
Plötzlich kam ihm ein Gedanke. Mit seinem Atem hauchte er die erkaltete Hand an, presste sie eilig auf den Kristall und hatte Erfolg. Nahezu geräuschlos öffnete sich die schwere Tür. Zatoc atmete erleichtert auf. Achtlos warf er die blutige Hand auf den Boden und glitt in den dunklen Ratssaal. Keinen Augenblick zu früh. Als sich die Tür hinter ihm schloss, loderten auf dem Platz vor der Inneren Festung die ersten Flammen des gewaltigen Feuers in die Höhe. Das Licht drang durch die hohen Fenster in den Saal, wo es bunte, tanzende Schatten an die Wände warf. Es vertrieb die Dunkelheit aus dem großen Raum und würde für eine Weile genug Helligkeit spenden, damit Zatoc die Aufgabe beenden konnte, die ihn hierher geführt hatte. Aufmerksam blickte er sich um. Alles war so, wie Skynom es ihm beschrieben hatte. In der Mitte stand der Tisch mit den fünf Stühlen für die Ratsmitglieder und daneben die beiden Stehpulte für die Schreiber. Gerüchten zufolge sollte sich irgendwo in der Wand eine geheime, durch Magie verborgene Nische befinden, in der das gesuchte Kleinod verwahrt wurde. Wo genau, hatte ihm der Magier allerdings nicht sagen können.
Während er die Wände mit den Augen nach einem Anzeichen für die Nische absuchte, löste Zatoc ein Paar dicker Lederhandschuhe vom Gürtel und zog sie an. Jetzt musste er den Asaak benutzen, den Skynom ihm übergeben hatte, um die Nische zu finden. Bei dem Gedanken an den magischen Elfendolch erschauerte er. Die Waffe aus Sternenebulit war ihm noch
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