Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers
die Ebene hinweg und steuerte geradewegs auf eine Gruppe dunkler Punkte zu, die im ersten Licht des Morgens auf einer Hügelkuppe zu erkennen waren. Als er näher flog, sah die Göttin, worum es sich handelte. Ein kleiner Trupp Graslandjäger war in einen heftigen Kampf mit einem halben Dutzend Cha-Gurrlinen verwickelt. Die Krieger aus der Finstermark hatten es offensichtlich auf die Jagdbeute der Grasländer abgesehen zwei stattliche Steppenbüffel, die auf einem von Steppenponys gezogenen hölzernen Wagen lagen. Der ungleiche Kampf hatte bereits die ersten Opfer gefordert. Zwei der acht Grasländer lagen leblos am Boden. Und das Töten nahm seinen Lauf. Entsetzt musste die Gütige Göttin mit ansehen, wie ein Cha-Gurrlin dem Grasländer, der ihn mit einem Speer bedrängte, mit einem einzigen Hieb seiner zweischneidigen Axt den Kopf von den Schultern trennte. Einem anderen wurden durch den Schwerthieb eines Cha-GurrlinenKriegers die Beine unter dem Körper weggerissen, und ein dritter sank unter den wuchtigen Schlägen einer gewaltigen Keule mit zertrümmertem Schädel zusammen. Die drei Überlebenden schienen die Aussichtslosigkeit ihrer Lage zu erkennen, flüchteten aber nicht. Wie auf ein geheimes Kommando hin stürzten sie sich mit vereinten Kräften auf einen Cha-Gurrlin, der verwundet am Boden kniete. Entschlossen, wenigsten einen der verhassten Krieger mit in den Tod zu nehmen, hieben sie mit ihren Kurzschwertern so lange auf ihn ein, bis er tödlich verletzt zusammenbrach. Doch den Grasländern blieb keine Zeit, sich einem neuen Gegner zuzuwenden. Hinterrücks geführte Schwerthiebe beendeten das Leben der drei und ihr Blut mischte sich auf dem trockenen Steppenboden mit dem des verhassten Feindes.
Das Gemetzel war vorüber. Acht Grasländer und ein Cha-Gurrlin hatten den Kampf um Nahrung mit dem Leben bezahlt. Die überlebenden Cha-Gurrline kümmerte das nicht. Während zwei von ihnen die beiden verängstigen Steppenponys abschlachteten, hoben die anderen die Steppenbüffel von dem Karren und warfen sich die stattlichen Tiere so mühelos über die Schulter, als besäßen sie kein Gewicht. Mit den Kadavern der Ponys und Büffel machte sich der Trupp schließlich auf den Heimweg und überließ die Toten den Aasfressern des Graslandes.
Angesichts der grauenhaften Bilder fühlte sich die Gütige Göttin wie gelähmt. Dennoch, der Tod des Cha-Gurrlins war die Gelegenheit, auf die sie so lange gewartet hatte. So schrecklich die Umstände auch sein mochten, so boten sie ihr doch endlich die Möglichkeit, ihren Plan in die Tat umzusetzen. Sie musste handeln, und zwar sofort.
Als die Strahlen der Morgensonne den goldenen Glanz verloren und die grasbewachsene Ebene in helles Tageslicht tauchten, war inmitten des Schlachtfeldes ein gequältes, kehliges Knurren zu hören. Mühsam, wie unter großen Schmerzen befreite sich der Cha-Gurrlinen-Krieger von den Leichen der Grasländer, setzte sich auf und unterzog seinen Körper einer eingehenden Untersuchung. Vorsichtig hob er die Arme, bewegte die Beine und betrachtete die klaffenden Wunden, welche die Kurzschwerter der Grasländer in seiner lederartigen Haut zurückgelassen hatten. Was er sah, schien ihm zu gefallen, denn er knurrte zufrieden und erhob sich.
Mit schleppenden Schritten schlurfte er zu dem hölzernen Karren hinüber, auf dem zuvor die Steppenbüffel gelegen hatten, und durchwühlte die wenigen Habseligkeiten der Grasländer. Kurz darauf kündete ein erneutes Knurren davon, dass er das Gesuchte gefunden hatte. Der spitz zulaufende Gegenstand war eine Mischung aus Spaten und Schaufel und wirkte in den riesigen Händen des Cha-Gurrlins wie ein Spielzeug. Doch das kümmerte den hünenhaften Krieger nicht. Langsam schritt er vorwärts und stieß den Spaten immer wieder prüfend in den Boden. Als er eine geeignete Stelle gefunden hatte, hielt er inne und begann zu graben. Unermüdlich warf er Schaufel um Schaufel lockerer Steppenerde zu einem Haufen auf. Seine Bewegungen gewannen zunehmend an Kraft, während er schweigend eine große Grube für die toten Grasländer aushob.
»Er kommt!« Teuflische Zufriedenheit schwang in Asco-Bahrrans Stimme mit, als er die Hände von dem kahl rasierten Schädel seines Mediums hob. Der junge Grasländer war längst bewusstlos, ein deutliches Anzeichen dafür, dass er für diese Aufgabe nicht geeigneter war als seine zahlreichen Vorgänger.
»Und? Hat er das Amulett bei sich?« Methar, der engste Berater Asco-Bahrrans,
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