Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers
einer letzten vernichtenden Attacke an. Ungeachtet der Schmerzen, die ihnen die Elfen mit den glühenden Ästen zufügten, sprangen sie vor und begruben die Körper ihrer Opfer unter sich.
Das Bild in der Kugel flackerte und erlosch, als Asco-Bahrran seine Hand zurückzog. Er hatte genug gesehen. Das verhasste Volk der Nebelelfen gab es nicht mehr.
Er hatte gesiegt. Der Weg war frei.
»Das Fell!«, befahl er knapp und Methar gehorchte sofort. Er wusste, was er zu tun hatte, denn der Zauber, den Asco-Bahrran nun anwenden wollte, war schon vor vielen Sonnenläufen vorbereitet worden. Die Quarline mussten sterben. Mit weichen Knien erhob er sich, trat zu einer großen hölzernen Truhe, die hinter dem Thron an der Zeltwand stand, kniete nieder und öffnete den schweren Deckel. Im Innern der Truhe befanden sich unzählige magische Artefakte und seltsame, zum Teil schaurige Kleinode, deren Bedeutung Methar nicht einmal ahnte. Doch der Meister verlangte nach etwas anderem. Obenauflag ein handtellergroßes, getigertes Stück Fell; an den schwarzgelben Streifen klebten sieben Flecken getrockneten Blutes. Methar nahm den Fetzen an sich, schloss die Truhe und reichte ihn Asco-Bahrran.
Der Meister breitete ihn sorgfältig über der Kugel aus und legte eine Hand darauf, während er mit der anderen nach dem Kopf des Mediums tastete. Dann verharrte er für wenige Augenblicke in tiefem Schweigen, um seine Kräfte zu sammeln. Gespenstische Ruhe senkte sich über das Zelt und schluckte alle Geräusche, die aus dem Lager hereindrangen. Mit angehaltenem Atem starrte Methar auf die Kristallkugel, wo sich im Innern aus den wogenden Schleiern erneut das Bild Caira-Dans formte. Sie hatten einen Sieg errungen, doch um welchen Preis? Methar konnte sich nicht aufrichtig darüber freuen, denn was er in der Kugel erblickte, erfüllte ihn mit eisigem Grauen. Bei den Toren, was haben wir getan?, schoss es ihm durch den Kopf, als er die Quarline inmitten der toten Elfen bei ihrem grausigen Mahl beobachtete.
Plötzlich zuckten rubinrote Blitze zwischen den Fingerspitzen des Meisters hin und her und ein scharfer Schwefelgeruch verbreitete sich im Zelt. Der gefesselte Grasländer wand sich trotz seiner Bewusstlosigkeit wie unter heftigen Schmerzen, seine Lider flackerten und er stöhnte gequält. Das Bild in der Kugel verschwamm, ein deutliches Zeichen dafür, dass die Lebensenergie des Mediums nicht mehr lange ausreichen würde. Methar beobachtete den Grasländer besorgt. Er konnte nur hoffen, dass der junge Mann stark war und lange genug durchhielt, damit der Meister sein Werk vollenden konnte.
Die Todesängste, die Kiany während der ersten Augenblicke des Fluges ausgestanden hatte, waren mit der Zeit einem leichten Unbehagen gewichen, das allerdings heftiger wurde, wenn sie nach unten schaute. So vermied sie es, auf das schlafende Land hinabzusehen, und richtete den Blick geradeaus oder beobachtete, wie die Wolken in rascher Folge an den Zwillingsmonden To und Yu vorbeizogen. Sie war froh, Naemy bei sich zu haben. Die Nebelelfe hatte die Arme um Kianys Hüften geschlungen und je länger die Reise dauerte, desto mehr übertrug sich deren Ruhe auch auf sie. Dass der Wind sich gelegt hatte und Zahir ruhig durch die Nacht glitt, tat ein Übriges und Kiany ertappte sich immer häufiger dabei, den Flug zu genießen. Der Riesenalp schien ihr Gewicht nicht zu spüren und Kiany bemerkte erstaunt, dass nur wenige Flügelschläge nötig waren, um den gewaltigen Vogel sicher in der Luft zu halten.
Ihr Gesicht war von der Kälte gerötet, doch Zahirs warmes Gefieder und der dicke Mantel verhinderten, dass sie fror. Die Wärme und das sanfte Auf und Ab des Vogelkörpers machten sie schläfrig. Doch aus Furcht, trotz der Haltegurte im Schlaf hinunterzufallen, wagte sie es nicht, die Augen zu schließen. »Schlaf ruhig, wenn du möchtest«, hörte sie Naemy hinter sich sagen und als hätte die Nebelelfe ihre Gedanken gelesen, fügte sie hinzu: »Du brauchst keine Angst zu haben, die Gurte sind sicher und ich halte dich.«
»Ich bin nicht müde«, log Kiany und gähnte verstohlen. Die Verlockung, einfach die Augen zu schließen und sich von Zahirs wogenden Bewegungen davontragen zu lassen, wurde fast übermächtig, doch trotz Naemys beruhigenden Worten kämpfte sie weiter gegen die Müdigkeit an.
Um sich abzulenken, sah sie zum Himmel hinauf, wo die Wolkenlücken rasch größer wurden und den Blick auf die Sterne freigaben. »Wunderschön, nicht wahr?«,
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