Die Saga von Thale 02 - Die Macht des Elfenfeuers
Muskel ihres Körpers schmerzte und die Beine zitterten ihr von der ungewohnten Anstrengung. Sie war nicht mehr die Jüngste und brauchte dringend eine Atempause, doch weit und breit gab es keine Sicherheit. Erschöpft erreichte sie schließlich eine von silbernem Mondlicht erhellte Lichtung und blickte sich gehetzt um. Da! Auf der gegenüberliegenden Seite erblickte Lya-Numi eine knorrige alte Sumpferle, deren Äste sich so dicht über dem Boden verzweigten, dass sie mühelos hinaufklettern konnte. Die Elfenpriesterin wusste, dass auch der Quarlin ein geschickter Kletterer war, hoffte jedoch, dass die biegsamen Zweige unter dem Gewicht des riesigen Räubers nachgeben würden und sie in den oberen Ästen sicher wäre. Der Baum war ihre einzige Hoffnung.
Wieder hörte sie hinter sich die Zweige knacken und den hechelnden Atem des Quarlins. Er kam! Sie durfte keine Zeit verlieren. Ohne lange zu überlegen, rannte Lya-Numi los doch sie kam nicht weit. Mitten auf der Lichtung stolperte sie über einen im hohen Gras verborgenen Baumstumpf und stürzte mit einem erstickten Schrei zu Boden. Ein brennender Schmerz schoss von ihrem Fußknöchel aus durch den ganzen Körper und das schaurige Geräusch, mit dem ihr rechter Fuß brach, erfüllte sie mit der tödlichen Gewissheit, dass ihre Flucht hier endete.
Es war vorbei!
Die Tränen in den Augen der Elfenpriesterin rührten nicht allein von dem flammenden Schmerz, der ihr rechtes Bein peinigte -sie war verloren. Der Quarlin kam immer näher. In wenigen Augenblicke würde sie das grausame Schicksal ihrer Brüder und Schwestern teilen. Niemand konnte ihr jetzt noch helfen. Lya-Numi ballte entschlossen die Fäuste. Sie würde sich nicht kampflos in ihr Schicksal ergeben. Mit einer enormen Willensanstrengung gelang es ihr, den Schmerz des gebrochenen Fußes in den hintersten Winkel ihres Bewusstseins zu verbannen, während sie mit fliegenden Fingern nach dem winzigen Zeremoniendolch am Gürtel tastete, den die Elfen bei feierlichen Anlässen stets bei sich trugen.
Mit zitternden Händen löste sie den Dolch vom Gürtel, ließ den Waldrand jedoch nicht aus den Augen. Obwohl sie ihn nicht sah, spürte sie den Blick des Quarlins auf sich ruhen. Jeden Augenblick konnte der getigerte Jäger aus dem Schatten treten, um sich seine Beute zu holen. Lya-Numi war sicher, dass er sie aus der Dunkelheit zwischen den Bäumen beobachtete, denn nicht nur das Knacken der Äste hatte aufgehört, auch alle anderen Geräusche des nächtlichen Waldes waren verstummt. Es war, als hielte selbst der Sumpf den Atem an, um den letzten Kampf der Elfenpriesterin zu beobachten.
Lya-Numi setzte sich auf. Sie war bereit. Den zierlichen Zeremoniendolch so fest umklammert, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten, starrte sie in die Richtung, aus der der Angriff kommen musste. Ganz leise hörte sie eine Stimme in ihren Gedanken, die sie beim Namen rief, achtete jedoch nicht darauf. Nur der Quarlin zählte. Komm schon, dachte sie grimmig. Kampflos werde ich mich nicht ergeben.
Als hätte es ihre Gedanken gelesen, sprang das mächtige Tier in diesem Augenblick auf die Lichtung. Die gelben Augen blitzten im Mondlicht und spiegelten die tödliche Gelassenheit des siegessicheren Jägers wider, während sich der Quarlin mit angelegten Ohren und gebleckten Zähnen seinem Opfer näherte.
Chantu hatte keine Tränen, doch tiefe Trauer verschleierte ihm den Blick, als er Caira-Dan in namenlosem Entsetzen verließ. Wirre Gedanken wirbelten ihm im Kopf umher und seine mächtigen Schwingen bewegten sich wie von selbst auf und ab, während er sich in kopfloser Flucht von dem Ort des Grauens entfernte.
Quarline! Nie hätte der junge Riesenalp daran geglaubt, den gefürchteten Raubtieren einmal von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen. Die großen Raubkatzen galten als ausgestorben und obwohl Naemy immer befürchtet hatte, dass der Letzte ihrer Art noch am Leben sein mochte, begriff Chantu nicht, woher die vielen Quarline so plötzlich kamen. In den fünfzig Sommern seines Lebens war kein einziger Quarlin in Thale gesichtet worden. Nicht einer! Doch jetzt, als sich fast das ganze Volk der Nebelelfen in Caira-Dan versammelt hatte, tauchten plötzlich mehr als hundert dieser fürchterlichen Kreaturen mitten in der Hauptstadt auf.
Woher kamen sie?
Wer steckte dahinter?
Je länger der Riesenalp über die Bedeutung des grauenhaften Massakers nachdachte, desto stärker änderten sich seine Gefühle. Langsam,
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