Die Saga von Thale 03 - Die Hüterin des Elfenfeuers
befanden sich in einem so guten Zustand, als wären sie gar nicht zum Einsatz gekommen.
Naemy und Fedeon hatten sich der Pfeile angenommen, und während Shari sich im Umgang mit einer Armbrust übte, hatte Glamouron die Schwerter mit zum Bach genommen, um sie zu säubern und zu schärfen. Die eintönige Arbeit tat ihm gut und verschaffte ihm endlich die Zeit, in Ruhe über die unglaubliche Wandlung nachzudenken, die sein Leben in den vergangenen Sonnenläufen genommen hatte.
Denn obwohl er sich dafür entschieden hatte, Naemy zu folgen, fochten seine widerstreitenden Gefühle noch immer einen heftigen Kampf aus. Immer lauter wurde der Vorwurf, die Menschen in Nimrod und vor allem sein eigenes Volk verraten zu haben. Wenn er das, was Naemy ihm berichtet hatte, dem Druidenrat mitteilen würde, ließe sich der Schlachtverlauf vielleicht so beeinflussen, dass die Cha-Gurrline, wie Naemy sie nannte, am Ende verlieren würden. Er hatte es in der Hand, Nimrod vor dem Untergang zu bewahren - doch er wusste, dass er es nicht durfte. Naemy hatte es ihm erklärt, und er hatte verstanden. Doch die Worte allein überzeugten ihn nicht. Was Naemy ihm erzählt hatte, klang so ungeheuerlich, dass er es ihr vermutlich nicht geglaubt hätte, wäre da nicht noch etwas anderes gewesen.
Glamouron legte den Stein zur Seite, mit dem er die Schwertklinge bearbeitete, und schaute zu Naemy hinüber, die mit Fedeon vor der Hütte saß und beschädigte Pfeile ausbesserte. Sie bemerkte es nicht, und er genoss für kurze Zeit das tiefe Gefühl von Wärme, das ihn stets aufs Neue durchströmte, wenn er sie ansah.
Naemy war die Einzige, die jemals einen Schlüssel zu seinem Herzen gefunden hatte. Viele hatten es versucht, nicht nur Nebelelfen, sondern auch betörend schöne Frauen aus Nimrod, doch bis er Naemy begegnet war, hatte seine Liebe allein den Riesenalpen und der Tätigkeit als Kurierreiter gehört. Für die wirkliche Liebe hatte er sich nie Zeit genommen, nur bei Naemy war das anders geworden. Die junge Nebelelfe hatte mit ihrer zarten und zurückhaltenden Art eine Saite in ihm anklingen lassen, die er nie zuvor gespürte hatte. Aber obwohl er wusste, wie sehr sie ihn liebte, hatte er sich stets davor gefürchtet, ihr seine Gefühle zu offenbaren. Wie auch?
Er hatte es sich lange Zeit selbst nicht eingestehen wollen, dass er sie liebte. Wie ein Feigling hatte er sich hinter der Arbeit als Kurierreiter versteckt und Naemy mit seiner abweisenden und rauen Art off verletzt. Er hatte gespürt, wie sehr sie darunter gelitten hatte, doch nie hatte er den Mut aufgebracht, ihr die Wahrheit zu sagen. Irgendwann, so hatte er gedacht, würde die Zeit dafür kommen. Und jetzt, da er wusste, dass diese Zeit niemals gekommen wäre, schämte er sich für seine Selbstsucht.
Noch vor wenigen Sonnenläufen hatte er sie mit der Trauer um Sharis Tod allein gelassen, obwohl er gefühlt hatte, wie sehr seine Anwesenheit ihr geholfen hätte. Viel zu kurz hatte er sie in seinen Armen weinen lassen, viel zu wenig tröstende Worte gesprochen, und viel zu hastig war er wieder aufgebrochen, um vor den verwirrenden Gefühlen und der ungewohnten Nähe zu fliehen. »Ich werde in Nimrod gebraucht«, hatte er ihr zum Abschied gesagt. Sie hatte genickt und wie immer tapfer gelächelt, doch in ihren Augen hatte er gelesen, dass auch sie ihn gebraucht hätte.
In diesem Augenblick hatte er sich dafür gehasst, ihr gegenüber so kaltherzig zu sein, doch wie so oft hatte er auch diesmal nicht über seinen Schatten springen können. Der Flug nach Nimrod war mehr eine Flucht vor den eigenen Gefühlen gewesen, denn wieder war er gegangen, ohne ihr zu sagen, wie sehr er sie liebte.
Er hatte ja nicht ahnen können, dass es das letzte Mal sein würde, dass er sie in die Arme nahm. Er hatte nicht gewusst, was das Schicksal für ihn bereithielt, welche Opfer die Schlacht fordern würde...
Er hatte sie und ihre Liebe verraten. Dreihundert Sommer hatte sie um ihn getrauert; keinem anderen Elfen war es je wieder gelungen, ihr Herz zu erobern. Glamouron seufzte. Plötzlich hatte er das Gefühl, all die Liebe, die sie nach dieser so langen Zeit noch für ihn empfand, nicht wert zu sein. Es war ein Schatz, den sie nur ihm geschenkt hatte und den er zwar angenommen, aber nicht genügend gewürdigt hatte wie ein herzloser Schuft, der nur an sich selbst dachte.
Doch das würde jetzt anders werden. Naemy hatte wahrhaftig genug gelitten.
Das Schicksal war geneigt, ihnen einen Neuanfang
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