Die Sakristei Des Todes
die
Lippe beißen, denn das Schwein hatte eine auffällige Ähnlichkeit
mit dem
Küster.
Ursula war meistens die letzte; also
ging er zum Fuße des Altars, schlug das Kreuzzeichen und begann mit
dem großen Mysterium der Messe. Seine kleine Gemeinde, die
flüsternd dagesessen hatte, versammelte sich jetzt am Lettner und
schaute aufmerksam zu, als der Priester begann, bei Gott für sie zu
bitten.
ZWEI
Als die Messe vorbei war, lud
Athelstan die Mitglieder des Gemeinderats in sein Haus ein. Mugwort
und Crim blieben zurück, um den Altarraum leer zu räumen -
Altartücher, Kerzen, Blumen und Gefäße mußten fortgetragen werden
-, denn die Arbeiter, die Athelstan beauftragt hatte, warteten
schon an der Kirchentür und wollten ihr Werk beginnen. Als die
Versammlung sich niedergelassen hatte, servierte Athelstan den
Gemeinderäten Becher mit Wein; dann sprach er ein Gebet zum
Heiligen Geist und eröffnete die Sitzung. Binnen weniger Minuten
hatten sich seine schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet; offenbar
waren am Abend zuvor eine Menge Pläne geschmiedet
worden.
Unterstützt und gefördert von der
verschmitzt grinsenden Cecily und der rotgesichtigen Ursula, begann
Pike, der Grabenbauer, eine ätzende Attacke gegen Watkin; der Stein
des Anstoßes war die Frage, ob Kinder auf dem Friedhof spielen
durften oder ob man sich dort einen neuen Zaun leisten könne.
Natürlich griff Watkins Frau ein, und der Streit wurde noch
bissiger. Athelstan lehnte sich zurück und betrachtete ungläubig
die intensive Leidenschaft der Streitenden, die diskutierten wie
Rechtsanwälte am Königlichen Oberhofgericht, wenn es um Leben und
Tod ging. Huddle grinste bloß verträumt. Tab wechselte dauernd die
Seiten, während Leif, der Bettler, auf einem Schemel am Herdfeuer
saß und den Mund so voll mit Athelstans Suppe hatte, daß er nur
gelegentlich eingriff, um Watkins Frau, die er von Herzen
verabscheute, Beschimpfungen an den Kopf zu werfen. Benedicta biß
sich auf die Unterlippe und grinste Athelstan an.
Gegen Mittag wurde Athelstan
allmählich ärgerlich; er spürte, daß alle erschöpft waren, und
machte der Debatte rasch ein Ende. Er bewirtete seine Gäste mit
Schüsseln von der Suppe, die Leif immer noch schlürfte, während er
abwechselnd Cecily lüstern angaffte und Watkins Frau lautstark
beschimpfte.
Eine Zeitlang herrschte Stille.
Athelstan und Benedicta nutzten die Gelegenheit, um in die Sonne
hinauszugehen und den kleinen Garten zu inspizieren. Der
Ordensbruder wollte nicht nur der erhitzten Atmosphäre entrinnen;
auch Benedictas Schweigen beunruhigte ihn. Sonst griff sie immer
ein, wenn es hoch herging, und goß Öl auf die Wogen, oder sie bekam
einen Lachanfall wegen der Beleidigungen, die ausgetauscht wurden.
Benedicta behauptete immer, der wahre Grund für die Machtkämpfe im
Gemeinderat sei der, daß Watkins Frau Cecily nicht ausstehen könne
und Pike, der Grabenbauer, Watkin verabscheute, weil sie beide
eifersüchtig den Verdacht hatten, daß Watkins Friedhofsspaziergänge
mit der jungen Kurtisane nicht immer etwas mit
Gemeindeangelegenheiten zu tun hatten.
Draußen blieb Athelstan neben
Benedicta stehen und lauschte dem zunehmenden Aufruhr in seinem
Haus und dem Scheppern und Krachen in der Kirche, wo die Arbeiter
jetzt die alten Steinplatten herausrissen. »Was ist los?« fragte
er.
Benedicta blickte auf. Er sah die
Träne, die ihr über das olivfarbene Gesicht rann, und auch, daß
ihre dunklen, ruhelosen Augen in Tränen schwammen. Waren sie blau
oder violett? dachte Athelstan. Benedicta erinnerte ihn immer an
ein Bildnis der Jungfrau Maria, das er einmal in einem
Buntglasfenster gesehen hatte. Sie war von der gleichen, heiter
gelassenen Schönheit, auch jetzt, wo sie Sorgen hatte. Athelstan
berührte sanft ihre Schulter.
»Was ist?« fragte er noch einmal und
verschloß die Ohren vor dem Zank in seinem Haus und dem Lärm der
Handwerker in der Kirche.
»Pater, Ihr wißt, daß ich seit drei
Jahren Witwe bin.« Athelstan nickte.
»Nun …« Benedicta blickte zur Seite
und biß sich auf die Lippe. »Ich habe Nachricht aus Frankreich.«
Sie holte tief Luft. »Es kann sein, daß er noch lebt.«
Verblüfft machte Athelstan einen
Schritt rückwärts. »Dein Mann war Kapitän eines Schiffes. Ich
dachte, er sei auf See umgekommen?«
»Ja. Er hatte einen Kaperbrief und
war auf Kaperfahrt im Englischen Kanal. Er wurde von einem
französischen Kriegsschiff angegriffen und versuchte, nach Calais
zu
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