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Die Salzbaronin

Die Salzbaronin

Titel: Die Salzbaronin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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sein!

27
    Im Gegensatz zu Götz bereitete ein zweites Treffen für Dorothea keine Schwierigkeiten. Niemand kümmerte sich darum, was sie mit ihrer Zeit anfing, von ihren Stippvisiten in den Sudhäusern bekam auch niemand etwas mit. Jeden Vormittag verließ sie das Haus und ging in Richtung Saline, und noch kein einziges Mal war ihr dabei Georg oder ihr Vater über den Weg gelaufen.
    Auch jetzt war sie mutterseelenallein, als sie sich ihren Mantel überwarf. Aus der Bibliothek drangen Viola und Fredericks Stimmen, doch ansonsten war alles still. Dorothea hatte keine Ahnung, wo Georg sich aufhielt - in seinem Amtszimmer war er jedenfalls nicht -, sie konnte nur hoffen, dass er ihr nicht über den Weg lief! Eine Erklärung dafür zu finden, dass sie sich am späten Nachmittag wie ein Dieb hinaus in die Dunkelheit schlich, würde ihr nicht leicht fallen … Sie bemühte sich, ganz am Rand der gekiesten Einfahrt zu gehen, um sowenig Spuren wie nur möglich im Schnee zu hinterlassen. Obwohl sie auf Zehenspitzen ging, spürte sie schon nach wenigen Schritten, dass die Nässe seitlich in ihre viel zu dünnen Lederstiefeletten eindrang. Ihre fellbesetzten Winterstiefel anzuziehen hatte sie nicht gewagt. Für den Fall, dass jemand sie bei ihrer Rückkehr überraschen sollte, konnte sie sagen, sie hätte lediglich ein wenig frische Luft geschnappt.
    Als sie in Sichtweite des Holzlagers kam, drang durch die Ritzen der Holzwände trübes Licht. Sofort schaute Dorothea sich um. Wenn sie das Licht sah, war es für jedermann zu erkennen! Doch außer ihr war niemand unterwegs, die Rehbacher hatten sich entweder in ihre Hütten verkrochen oder waren bei der Arbeit. Dorothea zitterte und wusste, dass dies nicht von der Kälte kam. Es war ihre innere Zerrissenheit, die ihr zu schaffen machte. Ihr war nicht wohl bei dem Gedanken, gerade Rauber hundertprozentig zu vertrauen. Der Mann war so … Sie fand kein Wort dafür, dass sie sich ihm gegenüber manchmal fast unterlegen fühlte. Doch welche Wahl hatte sie schon? Es war nicht gerade so, dass die Männer Schlange standen, um ihr bei der Durchführung ihres Planes zu helfen. Ein harsches Lachen kroch aus ihrer Kehle: Sogar sich selbst gegenüber hatte sie Mühe, ihre Ideen als Plan zu bezeichnen. Ihr Plan bestand bisher nur aus Stückwerk. Mit dem Zeigefinger strich sie sich die von der Feuchtigkeit kraus gewordenen Stirnfransen glatt, atmete noch einmal durch und klopfte an.
    Götz hielt ihr stumm die Tür auf. Den Mantel wie zum Schutz fest um sich gewickelt, trat Dorothea ein. Sie atmete noch ein letztes Mal tief durch und tastete durch ihren dicken Schal nach dem gestohlenen Buch. Die Abhandlung über den bergmännischen Abbau von Salz. Die Beschreibung des polnischen Salzberges Wieliczka.
    Ihre Begrüßung war steif, sie musste sich regelrecht ein paar Worte abquälen. Götz machte es ihr nicht leichter, indem er schwieg. Dann fiel ihr Blick auf den Tisch und die zwei Stühle, die in der hinteren Ecke des Lagers standen. In der Mitte des Tisches stand eine Lampe. Der orangefarbene Lichtkegel hatte auf einmal etwas sehr Beruhigendes.
    Sie zog einen Stuhl für sich heran und zeigte auf den zweiten. »Vielleicht wäre es besser, wenn du dir meine Pläne im Sitzen anhörst.« Sie gab sich einen Ruck. Besser, Rauber würde gleich erfahren, auf was er sich einließ!
    Eine Stunde später war sie mit ihrer Vision nicht mehr allein.
    Götz starrte lange auf die Zeichnung, die Dorothea in der zweiten Buchhälfte aufgeschlagen hatte.
    »Es könnte funktionieren.« Sein Blick wanderte von dem Querschnitt eines Bohrschachtes, aus dessen Tiefe Salz abgebaut wurde, zu Dorothea.
    »Und? Mehr hast du nicht dazu zu sagen?«
    Götz’ Miene blieb ruhig. »Was erwarten Sie? Es sind viele Fragen offen, auf die man zuerst Antworten finden musst.«
    »Ja, aber was hältst du von dem Gedanken an sich?« fragte Dorothea atemlos. »Stell dir doch vor, was das für Rehbach bedeuten würde: Wir bräuchten kein Holz mehr, weil wir nicht mehr sieden müssten! Das Salz einfach so aus dem Stein zu hauen wäre …« Sie brach ab. Eine halbe Ewigkeit lang hatte sie ihm von ihren Überlegungen erzählt, hatte Seite für Seite aufgeschlagen, Listen offen gelegt, Berechnungen und Aufzählungen erklärt. Götz hatte die meiste Zeit geschwiegen, nur hie und da hatte er durch eine gezielte Frage gezeigt, dass er ihren Ausführungen folgte. Warum war er nicht genauso berauscht wie sie? Genau das hatte sie im stillen

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