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Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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sie sich wie wild und zuckend um ihre eigene Achse gedreht, als wolle sie erreichen, dass ihr schwindlig wurde. Was war das nur gewesen?
    »Wie du vielleicht schon bemerkt hast, lebe ich allein hier, da muss ich mich schützen!«, sagte sie ohne den Hauch eines Bedauerns. »Samenhändlerinnen seid ihr also … Hier kommt auch ein, zwei Mal im Jahr ein Samenhändler vorbei, ein Mann. Vielleicht ist er sogar aus eurem Dorf.« Sie zuckte mit den Schultern. »Ihr müsst ein freies Leben führen …« Unwillkürlich kroch ein Seufzer über ihre Lippen. Sie nahm hastig einen Schluck Most.
    »Nun, ganz so frei auch wieder nicht«, bekam sie zur Antwort. »Wir haben unsere Reisezeiten, und das Gebiet, in dem wir unseren Samen verkaufen dürfen, ist auch festgelegt. Jeder Samenhändler besucht seinen eigenen Landstrich, der von allen anderen respektiert wird.«
    Evelyn nickte. Es war nicht so, dass sie die Einzelheiten des Samenhandels besonders interessierten – die Fremde interessierte sie! Da war etwas in ihrem Blick … Etwas, das in ihr eine Saite zum Klingen brachte. Evelyn schüttelte sich wie ein Pferd, das einen Schwarm Fliegen vertreiben will. Was ging sie dieses Mädchen an? War sie schon so vereinsamt, dass sie unbedingt eine Fremde zum Reden bringen wollte? Der Gedanke ärgerte sie. Doch im selben Moment hörte sie sich sagen: »Aber es gibt keinen Mann, der euch was zu sagen hat – das nenne ich Freiheit!«
    Die Prinzessin runzelte die Stirn. »Wir sind natürlich verheiratet! Aber unfrei sind wir Gönninger Frauen dennoch nicht. Schon seit Jahrhunderten gehen Frauen allein auf den Samenstrich – und viele würden sich bedanken, ihren Ehemann dabei an ihrer Seite zu haben«, fügte sie hinzu, eine Grimasse schneidend.
    Evelyn musste lachen, und die andere fiel mit ein.
    Humor hat sie also auch … Evelyn holte tief Luft, schaute sie für einen Moment prüfend an, dann stand sie auf, öffnete eine Schranktür und kam mit Brot und Käse in der Hand zurück. Mit demselben Messer, mit dem sie zuvor die Fremde bedroht hatte, begann sie, von beidem dünne Scheiben abzuschneiden. Die ganze Situation war so verrückt, dass Evelyn kaum dem Impuls widerstehen konnte, hysterisch loszulachen.
    Dann nickte sie in Richtung der Schlafenden. »Du magst sie nicht besonders, was?«
    »Wie kommst du denn darauf?« Das Entsetzen in der Stimme der anderen war nicht zu überhören.
    Evelyn grinste. Hatte sie mit ihrer Bemerkung also den Nagel auf den Kopf getroffen! Dabei wusste sie selbst nicht, wie sie darauf kam. Es war nur so ein Gefühl … Die Art, wie die Prinzessin die andere betrachtete. Nicht offensichtlich feindselig, aber auch nicht so besorgt, wie man es in einer solchen Lage erwarten konnte.
    »Ich heiße übrigens Evelyn.«
    »Und ich Seraphine. Evelyn und Seraphine – nicht gerade zwei gewöhnliche Namen.«
    »Und auch keine gewöhnlichen Frauen, oder?« Evelyn hob die Augenbrauen. Sie wusste nicht, ob ihr die plötzliche Vertraulichkeit recht war. Gleichzeitig spürte sie, wie Seraphine sie immer mehr zu faszinieren begann.
    Normalerweise waren ihr andere Leute gleichgültig. Doch bei diesem unverhofften Gast brannten ihr plötzlich alle möglichen Fragen auf der Zunge – allzu merkwürdig wirkte die junge Frau. Was ging hinter der schönen Stirn vor? Was war das für ein Leben, das die Samenhändlerin führte? Trotz ihrer Neugier beschloss Evelyn, erst einmal abzuwarten, ob die Fremde von sich aus zu erzählen begann.
    Sie musste nicht lange warten.
    »Die da hat mir den Mann weggenommen. Er ist die große Liebe meines Lebens«, kam es unvermittelt.
    Fragend hob Evelyn die Augenbrauen. Eine andere Reaktion war nicht nötig.
    Stockend erzählte Seraphine davon, wie die verletzte Frau, die Hannah hieß, eines Tages in dem Dorf Gönningen angekommen und was danach geschehen war. Immer wieder verbesserte sie sich, suchte nach einem anderen, einem passenderen Wort, um ihre Gefühle wiederzugeben. Sie schien das Erzählen nicht gewohnt zu sein. Hatte sie keine Freundin in dem Dorf, in dem sie wohnte? War diese Seraphine etwa genauso einsam wie sie? Nicht auf alles konnte sich Evelyn einen Reim machen, und sie wollte nachfragen, doch inzwischen sprudelte es aus Seraphine nur so heraus.
    »Ich hasse sie!«, endete sie schließlich. Der verkniffene Zug um ihren Mund, der während des Erzählens fast verschwunden war, grub sich nun umso härter wieder ein.
    Einen Moment lang schwiegen beide.
    »Du hättest sie

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