Die Samenhändlerin (German Edition)
Meilen an nichts anderes mehr hatte denken können als an eine dicke Bohnensuppe mit Speck und –
Ich denke ans Essen, und Hannah liegt schwer verletzt oben im Bett!
Er spürte, wie ihm Tränen in die Augen stiegen. Das Gefühl war so ungewohnt, dass es ihn geradezu überwältigte. Und ängstigte. Abrupt stand er auf und ging zum Fenster. Einen langen Moment starrte er in die Dunkelheit, die ein Spiegelbild seines Inneren war. Finsternis, die einem rabenschwarzen Gewissen entsprang.
Er war schuld an Hannahs Unglück. Hätte er ihr diese unselige Reise doch nur ausgeredet!
Er wischte sich übers Gesicht und holte tief Luft. »Ich gehe jetzt zu ihr.«
Seraphines »Nein!« kam wie ein Peitschenhieb und ließ ihn zusammenzucken. »Sie schläft bestimmt schon, sie braucht ihren Schlaf, die ganze Sache war schrecklich anstrengend für sie und –« Atemlos warf sich Seraphine zwischen die Tür und Helmut. Ihr Gesicht war keine Handbreit von seinem entfernt, ihre Augen waren weit aufgerissen, dunkle Schatten lagen über den Wangen, die ihm noch schmaler vorkamen als früher.
Das wird auch für sie nicht leicht gewesen sein! Seraphine, so zart und schwach, und so tapfer …
Erneut überflutete Helmut eine Welle von schlechtem Gewissen. Alles nur seinetwegen …
Spontan zog er sie an seine Brust, und zitternd schmiegte sie sich an ihn.
»Was würde ich nur ohne dich tun?«, flüsterte er tränenerstickt in ihr Haar. Über ihren Kopf hinweg blickte er Valentin an, der ihm mit müden Augen zunickte. Es war nicht die Zeit für Eifersüchteleien. Trotzdem schob Helmut Seraphine im nächsten Moment auf Armlänge von sich.
»Ich danke dir von ganzem Herzen für alles, was du für Hannah getan hast. Ohne dich …« Er biss sich auf die Lippen. »Ich möchte mir gar nicht vorstellen, was dann passiert wäre.«
»Helmut, reiß dich zusammen! Hannah braucht dich jetzt. Dich und deine Hilfe.« Seraphine rüttelte an seinen Armen, ihr Blick war eindringlich, fast beschwörend. »Wenn ich dir einen guten Rat geben darf …«
»Ja! Ja, natürlich! Sag mir, wie kann ich helfen? Was soll ich tun?« Alles würde er tun, damit es seinem Weib wieder besser ging!
Seraphines Blick verdüsterte sich kurz, als durchlebe sieerneut die schrecklichen Momente, doch dann hatte sie sich wieder in der Gewalt.
»Hannah ist von Natur aus hart im Nehmen. Aber –«
Helmut nickte ihr ungeduldig zu. Weiter!
»Aber ich glaube, das Ganze hat ihr doch arg zugesetzt. Sie versucht, so wenig Aufhebens wie möglich zu machen, will ihre Schmerzen verbergen, dabei merkt jeder, wie schlecht es ihr geht. Von uns nimmt sie keine Hilfe an, sie ist halt ein kleiner Sturkopf!« Seraphine lachte leise auf.
Helmut brachte ebenfalls ein Lächeln zustande. »Ja, stur kann sie sein, meine Hannah!«
Seraphine wurde wieder ernst. »Dabei merkt sie gar nicht, dass sie uns dadurch nur noch mehr Arbeit verursacht. Erst gestern wollte sie unbedingt in den Keller, um für Wilhelmine Sauerkraut zu holen. Dann ist sie auf der Treppe gestürzt – die Sauerei, die sie dabei angerichtet hat, könnt ihr euch ja vorstellen. Eine halbe Stunde lang hab ich die Treppe putzen müssen!« Sie schüttelte erneut den Kopf. »Hannah hat sich sehr verändert, will von nichts und niemandem etwas wissen, sogar Flora ist ihr lästig! Sie …« Seraphine verstummte erneut.
»Ja? Rede weiter! Ich muss wissen, was los ist!«
»Ich glaube, sie denkt daran, zurück nach Nürnberg zu gehen.«
»Was? Aber –«
Bevor Helmut weitersprechen konnte, ergriff Seraphine erneut das Wort.
»Das geht sicher wieder vorbei, aber im Augenblick hat Hannah für Gönningen und unser Leben hier nicht viel übrig. Sie macht alles und jeden für ihre Behinderung verantwortlich. Dabei ist ganz allein sie schuld an der Sache!«
Nürnberg? Behinderung? Nichts übrig für Gönningen? Helmut runzelte die Stirn. Wovon sprach Seraphine da eigentlich?
»Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll«, antwortete erbeklommen. »Was soll ich nur tun?« Hilfesuchend schaute er von Seraphine zu Valentin, der jedoch genauso verunsichert aussah wie er selbst.
Seraphine seufzte. »Hannah muss jetzt viel ruhen, sonst wird sie für immer ein Krüppel sein, hat der Arzt gesagt, verstehst du?«
»Um Gottes willen …« Ja, ja, natürlich verstand er. Zwar nicht alles, aber … Hannah ein Krüppel. Für immer. Wegen ihm.
Seraphine lächelte engelsgleich. »Du musst sie dazu bringen, sich zu schonen! Wir alle helfen
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