Die Samenhändlerin (German Edition)
Schweiß aus der Stirn, murmelte leise holländische Worte, bis ihm die Augen wieder zufielen.
Margarita war bereit, seinen Schmerz zu tragen, das wusste er. Sie würde geduldig sein, ihm zuhören, so oft und so lange ihm nach Reden zumute war. Wenn sie wenigstens wie er über Seraphine hergezogen wäre! Aber nein, kein einziges böses Wort rutschte über ihre Lippen, obwohl er ihr sehr wohl ansehen konnte, dass sie sich ihr Urteil über Seraphine längstgebildet hatte. Über so viel Großmut konnte Valentin nur staunen.
Es gab auch Zeiten, in denen ihm nicht nach Reden zumute war. Stunden, in denen er dumpf vor sich hin grübelte und sich zurückzog wie eine Schnecke in ihr Haus. Auch das trug Margarita mit der ihr eigenen Unerschütterlichkeit. »Die Zeit heilt alle Wunden.« Daran glaubte sie.
Die Zeit? War es wirklich nur Zeit, deren es dafür bedurfte? Oder würden ihn die kieselgrauen Augen für immer und ewig verfolgen?
Was, wenn sie ihm bis nach Amerika folgten? Bis nach Holland hatten sie es immerhin schon geschafft.
Aus der Küche, die zwei Türen neben Margaritas Kammer lag, waren Morgengeräusche zu hören. Das Klappern der blauweißen Porzellanteller, aus denen die Brotsuppe gelöffelt wurde. Das Quietschen der hinteren Tür, vor der der Milchmann wie jeden Morgen seine Kanne abstellte. Das Poltern, wenn die Magd den Schürhaken in seine eiserne Ablage zurückstellte, nachdem sie den Herd angeheizt hatte.
Nun würde es nicht mehr lange dauern, bis schwere Männerschritte an Margaritas Tür vorbeigingen: die Knechte auf dem Weg zu ihrer ersten warmen Mahlzeit, Piet, der von einem frühen Rundgang über die Felder zurückkam. Lauter Morgengeräusche, die Valentin an einen anderen Haushalt, eine andere Küche erinnerten.
Mit einem bedauernden Blick auf Margarita rappelte sich Valentin auf. Es tat nicht Not, dass Piet ihn dabei erwischte, wie er aus Margaritas Zimmer kam. Als er sich beugte, um unter dem Bett nach seinen Socken zu fischen, begann er erneut zu husten.
Ein Windstoß zerrte am Fenster, riss es auf, und Margaritas Spinnrad, das in der Ecke des Zimmers stand, begann sich zu drehen. Sofort wurde es empfindlich kalt im Zimmer. AufSocken tappte Valentin zum Fenster. Den Riegel in der Hand, starrte er hinaus. Vom Meer her wehte ein klarer Wind, die Konturen der Bäume waren scharf gestochen. Irgendwo, viele tausend Meilen entfernt, lag Amerika. War dort jetzt auch Herbst? Gab es in Amerika ebenfalls Krähen, deren Schreie die Morgenstille zerrissen? Der Gedanke, wie wenig er von diesem Land wusste, war beruhigend. Alles neu, alles fremd, vielleicht würde das auch für ihn gelten.
Er hatte einmal geliebt. Hatte sein Herz bedingungslos verschenkt. Seraphine, die Unerreichbare – ein Traum wurde wahr, selbst dann noch, als ihre Ehe immer mehr einem Alptraum glich.
Vom Fenster aus sah Margarita plötzlich klein und verletzlich aus. Er hasste sich dafür.
»Du bist eine wunderbare Frau.« Wie hohl seine Worte klangen! Und doch entsprachen sie der Wahrheit. Herrgott, warum war das alles so schwer? Warum konnte er nicht einfach bleiben und mit ihr glücklich werden? Warum konnte nicht sie durch seine Träume geistern? Mit ihrem feuerroten Haar, ihren lustigen Sommersprossen, dem breiten Mund.
»Du und ich –« Sie zuckte zusammen, als sei sie noch einmal kurz eingeschlafen. Abrupt stand sie auf, taumelte ihm entgegen. »Es könnte uns gelingen!«
Sie presste sich an seine Brust, er spürte ihren Herzschlag, so stark und mutig, seine Arme umschlangen sie, gegenseitig hielten sie sich fest.
»Ich weiß, dass du noch nicht bereit bist, spüre es jeden Tag. Wenn du in meinen Armen liegst, wenn wir uns lieben, ist da immer noch sie. Aber irgendwann wird die Erinnerung schwächer werden! Natürlich kann man das Schreckliche, was sie dir angetan hat, nicht ungeschehen machen. Aber die Zeit heilt Wunden. Und ich werde dafür sorgen, dass eine saubere, gut verheilte Narbe zurückbleibt. Damit kann man leben.«
Valentin lächelte traurig. »Und was ist, wenn die Narbe nur oberflächlich verheilt? Wenn es darunter gärt und schwelt und immer wieder der Eiter ausbricht? Ich kann nichts garantieren! Ich weiß nur, dass ich dich nicht unglücklich machen will. Alles, was geschehen ist, liegt wie eine Staubschicht auf meinen Gefühlen! Ich weiß nicht mehr, wie sich Liebe anfühlt, vielleicht will ich es auch gar nicht mehr wissen. Liebe tut weh, das ist meine jämmerliche Wahrheit!«
»Es gibt immer
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