Die Samenhändlerin (German Edition)
Elternhaus war sie herumgeschlichen, hatte sich das schmucke Haus von vorn und von hinten angeschaut. Ganze drei Stockwerke – damit zählte es zu den größten Häusern im Dorf. Auf der rechten Seite ein Garten, nicht so groß, wie man es vielleicht bei einem Samenhändler erwartet hätte. Eine Stufe, die zur Eingangstür hinaufführte, links und rechts davon Säulen, dem Aussehen nach ebenfalls aus Tuffstein. Hannah fand die Säulen albern. Gleichzeitig faszinierte sie das große Anwesen. Hier würde sie wohnen, wenn Helmut ein Ehrenmann war und sie zur Frau nahm. Hinter welchem dervielen Fenster würde sich dann wohl ihr Schlafzimmer befinden? Wie würde sich das Leben in solch einem Haus anfühlen?
Gleichzeitig war das Kernersche Anwesen schuld daran, dass in regelmäßigen Abständen Panik in ihr ausbrach: Da sollte der älteste Sohn des reichsten Samenhändlers im Dorf ausgerechnet sie, eine Dahergelaufene, heiraten? Angesichts dessen wäre es ihr lieber gewesen, Helmut hätte in einem der armseligen Häuslein am Dorfrand gelebt.
Obwohl sie keine Pläne für den Abend hatte, nirgendwo eingeladen war, hatte Hannah ihre hübsche ungarische Tracht an. Das gehörte sich für den Heiligen Abend, auch wenn man ihn mutterseelenallein in einer winzigen, kalten Kammer auf dem Bett sitzend verbrachte.
Hannah legte eine Hand auf ihren Bauch, dorthin, wo sie das Kind vermutete. Sie und ihr Kind, vergessen von der Welt. Sollte diese Einsamkeit fortan ihr ständiger Begleiter werden? Ach, wenn wenigstens Helmut heute vorbeikommen würde!
Er war fast jeden Tag da gewesen. Jedes Mal hatte er andere Ausreden dafür gehabt, dass er nur kurze Zeit bleiben konnte.
Das erste Mal hatte sich schwierig gestaltet. »Kein Herrenbesuch auf dem Zimmer!«, hatte Emma Steiner streng zu ihr gesagt und an Helmut gewandt hinzugefügt: »Weiß Seraphine eigentlich, dass du dich hier mit meinem Gast triffst?« Auf Helmuts Verneinung hin schüttelte sie zwar missbilligend den Kopf, brachte ihnen wenig später jedoch einen Teller mit trockenem Hefekranz in die Wirtsstube und verschwand dann wortlos in der Küche. Am frühen Nachmittag gab es außer ihnen noch keine anderen Gäste. Ihr Schweigen hatte so dick über dem Tisch gehangen wie zu späterer Stunde der Qualm von Tabak. Er ist ein Fremder! Ich habe ihm nichts zu sagen! Die Erkenntnis hatte Hannah fast den Boden unter den Füßen weggezogen. Gemeinsam hatten sie den Hefekranz gegessen. Krümel für Krümel würgte Hannah hinunter. Helmutfragte sie nach ihrer Reise, sie antwortete einsilbig wie ein Trottel. Schnell wurde ihr klar, dass sie so nichts zustande brachten.
»Komm heute Abend wieder hierher!«, hatte sie ihm am Ende zugeflüstert. »Wenn das Wirtshaus voll ist, kann ich dich unbemerkt in meine Kammer lassen.« Helmut hatte genickt.
Und er war gekommen. So spät, dass Hannah schon nicht mehr mit ihm gerechnet hatte. Er hätte nicht früher weggekonnt, der Vater habe noch eine wichtige Abrechnung mit ihm durchgehen wollen, erklärte er.
Hannah umarmte ihn und beteuerte, dass dies alles unwichtig wäre, jetzt, wo sie zusammen waren. Das stundenlange Warten, die ewig bangen Gedanken, was aus ihr werden sollte – sie war so verzweifelt gewesen! Tränen liefen ihr übers Gesicht. Dann spürte sie Helmuts Arme, so warm, so beschützend. Hannah hätte im Nachhinein nicht mehr sagen können, wie sie sich ihres Kleides entledigt hatte und wie Helmut aus seiner Hose gekommen war. Sein Murmeln, das wäre nicht rechtens, hatte sie mit ihren Küssen erstickt. Plötzlich hatten sie im Bett gelegen. Die Vertrautheit war wieder da und mit ihr der Boden unter Hannahs Füßen. So fremd, wie sie es am Nachmittag gedacht hatte, war ihr dieser Mann gar nicht, ganz im Gegenteil. Kein Wunder, dass sie sich damals in Nürnberg gleich in ihn verguckt hatte. Ihr Lachen war zurückgekehrt und auch die Zuversicht, dass alles gut werden würde.
Nachdem sie ihre Lust gestillt hatten, begann Helmut zu reden. Er erzählte von Seraphine – offen und ehrlich. Davon, dass es schon seit Jahren eine ausgemachte Sache war, dass er und sie eines Tages heiraten würden. Schon seit Jahren sei seine Mutter deswegen hinter ihm her, sein Vater hätte ihn eher an der langen Leine gelassen.
Hannah tat das Zuhören weh. Sie wagte es nicht, ihn über diese Frau auszufragen. Liebst du sie? Hör zu, ich trage einKind von dir unter dem Herzen! Wie kannst du mir da von einer anderen erzählen?
Natürlich mochte er
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