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Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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Verständnis zeigen konnte, war Hannah unerklärlich. Ein paar Tage vor der Hochzeit zu erfahren, dass derBräutigam ein treuloser Kerl war, der … Allein der Gedanke ließ Hannah fast aus der Haut fahren! Es konnte nur so sein, dass auch bei Seraphine die Liebe nicht sonderlich groß gewesen war. Umso besser! Ohne eine eifersüchtige Widersacherin würde ihr das Leben in Gönningen bestimmt leichter fallen.
    Hannah rappelte sich in eine halbwegs aufrechte Position hoch.
    »Helmut, wir heiraten heute! Glaubst du nicht, eine Frau will sich für diesen Anlass ein wenig zurechtmachen?« Konsterniert schaute Hannah zu, wie Helmut in ihrem Zimmer auf und ab schritt und dabei ihre Kleider auf einen Stapel packte. Sie wusste zwar nicht, was er vorhatte, aber ihre Pläne standen fest: Emma hatte ihr ein Bad versprochen, sie und Käthe würden das Wasser heiß machen und sogar aufs Zimmer schleppen. Danach wollte sich Käthe an Hannahs Haaren versuchen – Hannah schwebte eine komplizierte Hochsteckfrisur vor, von der sie nicht wusste, ob Käthes Fingerfertigkeit dafür ausreichte. Emma sollte sich in dieser Zeit Hannahs ungarischer Tracht annehmen, die roten Bänder abtrennen – »Rot ziemt sich nicht für eine Braut«, hatte sie naserümpfend gesagt – und an deren Stelle schwarze Seidenbänder annähen. Und nun kam Helmut daher und schlug einen Ausflug vor?
    Eine gute Stunde später stand Hannah auf dem höchsten Berg, den sie jemals erklommen hatte. Rossberg heiße er, hatte Helmut gesagt.
    »Schau mal, das da hinten ist Stuttgart. Und direkt vor uns, das ist Tübingen! So nah wie selten! Und dann … dreh dich mal zu mir um, dort muss irgendwo die Zugspitze sein! Einen solchen Blick hat man normalerweise nur an sehr klaren Herbsttagen. Meist ist schon die Aussicht über die Schwäbische Alb verhangen, so dass man froh sein kann, das Dorf zu sehen. Aber heute – als ob der da oben gewusst hat, dass wirherkommen!« Lachend faltete Helmut seine Hände wie zum Gebet.
    Verkrampft hielt sich Hannah an dem hölzernen Geländer des Vermessungsturmes fest, die harsche Eiskruste, die sich in ihre Finger fraß, ignorierend. Die ganze Konstruktion des Gerüsts erschien ihr ziemlich wacklig, und sie wagte kaum, einen Schritt zu machen. Ganz im Gegensatz zu Helmut, der wie ein Feldherr auf der Plattform auf und ab schritt.
    »Und da, ein Stückchen weiter rechts, das sind die Schweizer Alpen!« Seine Wangen glühten, und seine Augen strahlten mit dem Wintertag um die Wette. Die Luft war rein wie Kristall.
    »Es ist wunderschön«, hauchte Hannah, benommen von den vielen Eindrücken. Ihr Aussichtspunkt lag tatsächlich höher als alles andere! Höher als jedes Bauwerk weit und breit, höher als die Bäume um sie herum, höher als die meisten anderen Berge und Hügel der Schwäbischen Alb. Sie musste der Versuchung widerstehen, ihre Hand nach oben zu strecken, um ein Zipfelchen Himmel zu schnappen – er schien zum Greifen nah.
    »Mir ist ganz … feierlich zumute.«
    Helmut nickte anerkennend. »Das hab ich auch schon Studenten aus Tübingen sagen hören. Die kommen den ganzen weiten Weg hierher, vor allem im Sommer, um die Sonnenaufgänge zu beobachten. Meist mit einer Flasche Wein unterm Arm. Dann sitzen sie hier oben und singen oder schreiben gefühlvolle Gedichte. Nun ja, wenn man dafür Zeit hat.«
    Ungläubig schüttelte Hannah den Kopf. Tübinger Studenten, die des Sonnenaufgangs wegen nach Gönningen kamen – dieses Dorf hielt wirklich allerhand Überraschungen parat!
    Helmut legte ihr einen Arm um die Schulter. »Hier bin ich schon als kleiner Bub gern gewesen. Immer wenn es mir im Dorf zu eng wurde, musste ich hinauf auf den Rossberg. Dann habe ich mir vorgestellt, wie es wohl sein würde, wenn ich einesTages auch all die fernen, wundervollen Landschaften bereisen würde. Ich konnte es nicht erwarten, endlich erwachsen zu werden, den Zwerchsack auf den Rücken zu nehmen und loszuziehen! Mit eigenen Augen die Alpen sehen, auf eigenen Beinen durch den Schwarzwald marschieren … Weitere Reisen konnte ich mir damals nicht vorstellen.« Er lachte. »Und heute, da sind tausend Meilen und mehr die Regel bei Valentin und mir.«
    Tausend Meilen – allein die Zahl machte Hannah Angst. »Und dieses Jahr? Werdet ihr da auch wieder so weit reisen?«
    Helmut nickte. »Sogar noch weiter. Valentin und ich haben große Pläne.«
    Hannah wartete darauf, dass Helmut seine Bemerkung weiter ausführte, stattdessen nahm er ihre

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