Die Samenhändlerin (German Edition)
du!, schrie alles in ihm. Mit Mühe presste er die Lippen zusammen.
»Du wirst auch ohne Helmut immer wie eine Sonne strahlen«, sagte er schließlich leise.
»Ich bin nicht die Sonne!«, antwortete Seraphine entsetzt. »Helmut – er ist die Sonne. Er bringt mich zum Lachen, und wenn er in meiner Nähe ist, habe ich das Gefühl … zu leben! Allein bin ich nur der Mond. Ewig im Schatten, umhüllt von Dunkelheit …«
Valentin schluckte. Hatte Seraphine den Verstand verloren?
»Jeder Mensch hat eine dunkle Seite«, antwortete er heftig. »Daran ist nichts Besonderes. Uns kann doch nicht immer zum Lachen zumute sein!« Helmut die Sonne, ha! Eher eine Sternschnuppe, genauso flüchtig und wankelmütig! Doch so kam er bei Seraphine nicht weiter, sie reagierte nicht einmal auf seine Worte. Er machte einen neuen Versuch: »Wenn der Mond erfriert, kann das die Sonne nicht freuen, oder? Und du bist kurz davor zu erfrieren. Komm, lass uns gehen!«
Diesmal ließ sie sich von ihm aufhelfen. Mit kleinen Schritten stolperte sie steif neben ihm her, sein Arm um ihre Schulter, seine freie Hand stützend an ihre Hüfte gelegt. Seraphine summte vor sich hin, als könne keine Sorge dieser Welt sie belasten.
Und nun – wohin?
Nicht ins Haus Schwarz, so viel stand fest. Bei dem Gedanken an Else und ihr tränenverhangenes Gesicht schauderte Valentin. Außerdem wollte er Seraphine nicht allein lassen, so seltsam, wie sie sich benahm. Aber er konnte sie schlecht mit zu sich nehmen – was, wenn jemand von der Hochzeitsgesellschaft früher nach Hause kam und Seraphine und ihn in der Küche sitzen sah?
Kurz vor der Brücke, die sie mitten ins Dorf führen würde, kam ihm endlich eine Eingebung: das Gartenhaus! Es lag zwar ein gutes Stück entfernt, zwischen zwei Kernerschen Äckern, und warm war es dort bestimmt auch nicht, aberangenehmer als in der Eiseskälte draußen allemal. Und dort würde sie bestimmt niemand suchen. Valentin atmete erleichtert durch.
Seraphine schien nicht zu merken, dass ihr Weg sie nach draußen auf die Felder führte. Am Gartenhaus angekommen, rüttelte Valentin am Riegel der Tür, ohne ihre Hand loszulassen, aus Angst, dass sie ihm doch noch davonlief. Endlich ging die Tür mit einem Knarzen auf. Er schnupperte hinein. Es roch nach Erde und nach den Äpfeln, die dort gelagert wurden.
»Hier bin ich schon einmal gewesen. Mit Helmut!«, rief Seraphine und folgte Valentin hinein.
Mit Helmut, natürlich, dachte er brummig, während er sich abmühte, die alte Ölfunzel, die von der Decke hing, mit halbfeuchten Streichhölzern zu entzünden. Hastig schob er dann alle möglichen Gartengeräte zur Seite und durchwühlte den alten Schrank, der neben der Tür stand. Irgendwo mussten ein paar Decken sein. Die wurden im Sommer, wenn während der Feldarbeit Brotzeit gemacht wurde, immer auf dem Boden ausgebreitet. Im untersten Fach wurde er fündig. Rasch breitete er die Decken aus, ließ sich nieder und klopfte auf den Platz neben sich. Seraphines Knie knackten, als sie zu ihm auf den Boden sank.
»Dir ist die Kälte ganz schön in die Knochen gekrochen«, sagte er, »komm, ich wärme dich ein bisschen.« Er breitete seine Arme aus und erschrak, als sie sich bereitwillig an ihn kuschelte. Er erschrak ein zweites Mal, als er ihre spitzen Schulterknochen an seiner Seite spürte. Sie bestand ja nur aus Haut und Knochen! War das Geld im Hause Schwarz so knapp? Oder hatte der Kummer ihr den Appetit genommen?
Eine Zeit lang schwiegen beide. Der Mond war inzwischen weitergewandert und warf sein Licht als blasse Streifen in den Raum.
Da sitzen wir nun, und ich habe sie im Arm, schoss esValentin durch den Kopf. Wie oft hatte er von diesem Augenblick geträumt! Sich immer wieder vorgestellt, wie sich Seraphine anfühlen würde. Weich, warm, so weiblich und zugleich geheimnisvoll.
Und nun zitterte sie wie ein verhungerndes Küken, das zu früh aus dem Nest gefallen war! Valentins Herz wollte überlaufen vor Liebe.
Im nächsten Moment riss sich Seraphine los und sprang auf. »Was bin ich für eine dumme Kuh!« Sie schlug mit ihrer Faust so heftig gegen die hölzerne Hüttenwand, dass diese erbebte.
Valentin zuckte zusammen, auf einen solchen Gefühlsausbruch nicht vorbereitet. Bevor er etwas sagen konnte, machte sie eine ungeduldige Handbewegung.
»Überall werfen sich die Weiber den Samenhändlern an den Hals. Säuseln süße Worte und lupfen ihren Rock. Und ich?« Sie lachte hysterisch auf. »›Ein Fleck auf
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