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Die Samenhändlerin (German Edition)

Die Samenhändlerin (German Edition)

Titel: Die Samenhändlerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Durst-Benning
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auf die Tränen, die sie hinter ihren Lidern spürte.
    Ihr Vater war tot. Oder zumindest verschollen.
    »Meine Schweizer Kollegen gehen nach ihren Untersuchungen davon aus, dass Friedhelm einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist. Er wurde nirgendwo mehr gesehen, seine Spur hat sich von einem Tag auf den anderen verloren«, hatte Adolf mit getragener Stimme gesagt. »In der Gegend um« – er hatte einen Zettel zu Hilfe genommen und den Namen eines Dorfes abgelesen, mit dem weder Seraphine noch ihre Mutteretwas anfangen konnten – »kommt es scheinbar immer wieder zu Überfällen. Die Schweizer Gendarmerie schreibt, es sei nicht angeraten, dort allein zu reisen. Der Wirt, in dessen Haus Friedhelm kurz vor seinem … Verschwinden Gast gewesen war, hat ausgesagt, er habe Friedhelm noch ausdrücklich davor gewarnt, ohne Begleitung weiterzureisen.« Hier hatte Adolf Else und Seraphine einen vorwurfsvollen Blick zugeworfen.
    »Mein Vater war ein armer Mann, er bereiste einen der ärmsten Samenstriche überhaupt – wer hätte ihn begleiten sollen?«, hatte Seraphine den wichtigtuerischen Mann anschreien wollen, doch stattdessen fragte sie mit unsicherer Stimme: »Der … Leichnam ist nicht gefunden worden?«
    Adolf schüttelte vehement den Kopf. »Wie gesagt, es handelt sich um eine sehr unwirtliche Gegend. Friedhelm könnte überall … Natürlich besteht immer noch die Möglichkeit, dass er gestürzt ist und dabei den Tod gefunden hat. Aber in diesem Fall wäre die Leiche nicht spurlos verschwunden, oder? Ich meine, der Zwerchsack lag ja unmittelbar am Straßenrand, und die Gendarmen haben die ganze Gegend abgesucht.« Ein weiteres wichtigtuerisches Kopfschütteln war gefolgt – schließlich kamen Mord und Totschlag in Gönningen nicht jeden Tag vor. »Friedhelm hatte durch seine Verkäufe sicherlich Geld bei sich – auch davon keine Spur. Dies alles weist auf ein Verbrechen hin. Ach, es ist eine Schande!«
    »Wie konnte er? Wie konnte er nur?« Else schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. Die Löffel in den Breischüsseln schlugen klirrend an das Steinzeug.
    »Ich wette mit dir, er hat wieder gespielt!« Mit zittrigen Händen räumte sie den Tisch ab und trug das Geschirr zum Spülstein. »Statt auf dem schnellsten Wege heimzukommen, setzt er sich in irgendein Wirtshaus und spielt Karten!«
    »Und wenn schon – was macht das jetzt noch aus? Vater isttot! Und du sitzt hier und machst ihm Vorwürfe!«, schrie Seraphine.
    Vater … nie wieder sollte sie ihn sehen? Der Gedanke hatte etwas Unwirkliches an sich. Seraphine verscheuchte ihn, so schnell sie konnte.
    »Verstehst du denn nicht?«, schrie Else zurück. »Es waren bestimmt irgendwelche Ganoven, mit denen er am Tisch gesessen hat! Würfeln, Karten spielen – wenn’s ums Geld geht, verstehen solche Kerle keinen Spaß. Oh, wie oft habe ich das früher miterleben müssen.« Ihre Unterlippe begann zu zittern. »Und jetzt ist … ihm … die verdammte Spielerei … zum Verhängnis geworden.«
    Seraphine schaute zu ihrer Mutter, die, sich mit beiden Händen auf den Spülstein stützend, von einem Weinkrampf geschüttelt wurde. Sie hätte zu ihr gehen und sie in den Arm nehmen sollen. Es ist nicht wahr, summte es in ihrem Kopf. Alles ist nicht wahr. Erst Helmut, nun ihr Vater … Wo war die Sternenfee? Bestimmt würde sie gleich kommen und Seraphine aus diesem Alptraum befreien.
    Else fuhr herum und trat näher. Mit dem Zeigefinger tippte sie Seraphine an die Brust. »Dir wird dein Hochmut noch vergehen! Sitzt da, als ginge dich das alles nichts an. Wovon sollen wir die Miete zahlen? Jetzt, wo Helmut mit einer anderen verheiratet ist, wird sein Vater keine Skrupel haben, uns hinauszuwerfen. Und dann die Schulden, die Friedhelm bei den Kerners gemacht hat! Wie sollen wir die je zurückzahlen? Am Ende bleibt uns nur noch das Armenhaus. Wir –« Die nächsten Worte gingen in Schluchzen unter.
    Geld, Geld, Geld – an etwas anderes dachte Mutter nicht. Geld und ihr eigenes Unglück. Kein einziges Mal fragt sie, wie es mir geht, schoss es Seraphine durch den Kopf. Da klopfte es erneut.
    Beide Köpfe fuhren herum.
    Zaghaft trat Valentin ein. Seine Augen stachen groß aus seinem leichenblassen Gesicht hervor.
    »Ich bin gekommen, so schnell ich konnte. Adolf … er war gerade bei uns zu Hause. Mein Vater lässt euch ausrichten, dass ihr mit jeder Unterstützung rechnen könnt. Ihr sollt euch keine Sorgen machen, sagt er. Ich … ach, was ich sagen will,

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